Moskaus Geisterbahnen

Das vertraute Gedränge in Moskaus Metro ist gespenstischer Leere gewichen. Wer jetzt noch unterwegs sein muss, erlebt eine unterirdische Geisterstadt mit dem Geruch von Desinfektionsmittel. Was Moskaus Verkehrsbetriebe gegen das Virus unternehmen.

Corona und der Nahverkehr: Desinfektion einer Metrostation in Moskau
Mit Kanonen auf Viren: Desinfektion einer Metrostation (Foto: mosmetro.ru)

Die Metrostation Perwomajskaja an einem Dienstagnachmittag. Normalerweise herrscht hier ein ewiges Gewusel. In den Zügen Richtung Zentrum gibt es auch außerhalb der Stoßzeiten kaum einen Sitzplatz, obwohl es erst die zweite Station an der Linie ist. Doch heute wirkt die weiß gekachelte Halle gespenstisch. Nicht ganz menschenleer, doch unwirklich ruhig. Ich selbst war seit Wochen nicht hier. In den Zügen markieren rote, kreisrunde Aufkleber jeden zweiten Sitzplatz: Bitte hier nicht sitzen, Abstand halten! Nötig ist das heute kaum, vielleicht fünf Leute befinden sich im Wagen. Auch hier unheimliche Stille. Corona hat den Nahverkehr in Moskau verändert.

Sobjanin: Die Metro fährt auf jeden Fall

Mitte März hatte die Zeitung „Wedomosti“ gemeldet, dass die Metro wegen des Coronavirus’ möglicherweise geschlossen werde. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin bezeichnete das jedoch bald als Unsinn, die Metro werde auf jeden Fall weiterfahren.

Doch während Verkehrsbetriebe in Deutschland eine Desinfektion von Fahrzeugen als unverhältnismäßig bezeichnen, rüstet Moskau auf. Schon seit Wochen werden die Metrozüge täglich mit Desinfektionsmittel gereinigt. Mittlerweile sind an den Stationen jeden Abend Mitarbeiter mit Dampfstrahlern unterwegs und desinfizieren Zugänge und Bahnsteighallen, Türgriffe, Zugangssperren, Fahrkartenautomaten und die Handläufe der Rolltreppen. Selbst Belüftungsschächte werden mit Dampf desinfiziert. Die Presseabteilung signalisiert: Wir tun, was wir tun können.

Nach jeder Fahrt wird desinfiziert

Auch in Bussen und Straßenbahnen sind die Maßnahmen nicht zu übersehen. Die Busfahrer verkaufen keine Fahrkarten mehr, der Bereich um die Fahrerkabine ist mit rot-weißem Band abgesperrt. Auch hier ist jeder zweite Sitz mit einem Aufkleber versehen und es laufen Durchsagen, man solle besser ganz auf Fahrten verzichten. Seit Ende März werden die Fahrzeuge jedes Mal desinfiziert, wenn sie die Endhaltestelle erreichen.

Am 15. April wurden die Digitalpässe eingeführt, ohne die niemand mehr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen darf. Der Auftakt verlief weniger erfreulich. Die Pässe wurden an den Eingängen zur Metro penibel durch die Polizei kontrolliert, wodurch sich trotz des geringen Fahrgastaufkommens Gedränge bildete. Fotos davon füllten die sozialen Netzwerke, auch Bürgermeister Sergej Sobjanin äußerte sich auf dem sozialen Netzwerk VKontakte kritisch. Mittlerweile wurde die Situation etwas entschärft.

Jiří Hönes

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