Für die Teilnahme am öffentlichen Leben braucht man an immer mehr Orten in Russland einen QR-Code, der die Immunisierung gegen das Coronavirus nachweist. Für Geimpfte sind diese Codes ein Jahr lang gültig – einen in Russland zugelassenen Impfstoff vorausgesetzt. Genesene bekommen einen sechs Monate gültigen Code und müssen dann zur Auffrischung.
In Moskau betrifft die QR-Code-Pflicht derzeit unter anderem Museen, Theater und Sportveranstaltungen, während sowohl Restaurants und Bars als auch Shoppingcenter und der öffentliche Nahverkehr noch frei zugänglich sind. In anderen Regionen ist das nicht überall so. Schlagzeilen machte etwa Tatarstan, wo Fahrgäste in Bus und Bahn einen QR-Code brauchen. In den Regionen Jaroslawl und Samara beispielsweise kommt man ohne QR-Code nicht mehr in die Gastronomie.
Niedrige Akzeptanz in der Bevölkerung
Ab Februar soll die Regelung für ganz Russland einheitlich gelten. Dann geht ohne QR-Code so ziemlich gar nichts mehr außer Apotheke und Lebensmittelgeschäft, zumindest offiziell.
Auch wenn die Proteste weitgehend abgeebbt sind, die Akzeptanz der QR-Codes in der Bevölkerung ist gering. Wie Sergej Talanow, Leiter der Jaroslawler Abteilung der Russischen Gesellschaft für Soziologie, gegenüber der MDZ sagt, zeigen besonders weniger gebildete Schichten häufig eine starke Ablehnung gegenüber der flächendeckenden Einführung.
Ein Fünftel der Datensätze sind fehlerhaft
Doch selbst wer die Regelung billigt und gerne einen QR-Code hätte, hat es nicht leicht. Bei einem Fünftel aller geimpften russischen Staatsbürger soll es zu Datenfehlern gekommen sein, sodass sie den QR-Code nicht automatisch im Bürgerportal Gosuslugi erhielten, wie eigentlich vorgesehen. Eine Freundin etwa kam wegen eines Buchstabendrehers tagelang nicht an ihren Arbeitsplatz. Wie soll das dann erst bei Ausländern funktionieren, wo unterschiedliche Transkriptionen, fehlende Vatersnamen und andere Formate der Passnummern ohnehin dauernd für Chaos sorgen. Die Antwort liegt auf der Hand, es funktioniert meist nicht. Zumindest nicht schnell.
Die Deutsch-russische Auslandshandelskammer (AHK) nennt zwei Wege, wie man als Ausländer den begehrten digitalen Wisch bekommen kann. Für die „klassische“ Variante braucht man eine russische Sozialversicherungsnummer, die auf den netten Namen „Snils“ hört. Mit dieser kann man den QR-Code auf seinem Nutzerkonto in Gosuslugi anzeigen lassen. Das nimmt sich die Daten aus der zentralen EMIAS-Datenbank, wo die Impfungen verzeichnet sein sollten.
Frühe Impfungen wurden nicht im System erfasst
Die einfachere Variante geht über die Website immune.mos.ru. Dort soll man einfach ein paar Daten eingeben und dann kommt auch schon der QR-Code. Soweit die Theorie. „Oft kommt es bei der Eingabe von Vor- und Nachnamen zu Buchstabendrehern, Fehleingaben etc., sodass der QR-Code häufig nicht auffindbar ist“, warnt die AHK.
Ich selbst hatte mich im Februar 2021 im GUM impfen lassen. Damals hatte ich noch einen anderen Reisepass. Natürlich will das Online-Portal keinen QR-Code ausspucken, auch nicht nach zig Versuchen mit unterschiedlichen Eingaben. Also gehe ich zum Impfzentrum im GUM. Dort schickt man mich in die Poliklinik Nr. 68, die seinerzeit diesen Impfpunkt betrieben hat. Erst mal läuft alles gut. Die Dame an der Info weiß sofort Beschied. „Das war im Februar, damals wurden Ausländer noch gar nicht in der Datenbank registriert“, sagt sie. Doch auch das ist kein Problem. Eine Mitarbeiterin nimmt meine Daten aus Reisepass und Impfzertifikat auf und sagt mir, nach einigen Wochen seien diese im System und ich würde in Gosuslugi den QR-Code erhalten. Vorausgesetzt, meine Snils sei bis dahin im Gosuslugi hinterlegt. Im Radio läuft „Don’t worry, be happy“, kein Witz.
„Extrem nervig“
Sieben Behördengänge und einen weiteren Besuch bei der Poliklinik später ist der QR-Code tatsächlich da. Auf dem Weg dahin gab es einen unerklärbaren Fehler mit meinem Pass, zwei technische Störungen, herzliche, hilfsbereite, genervte und grantige Mitarbeiterinnen in Poliklinik, Bürgerbüro und Rentenfonds und viel verbrannte Zeit. Auch andere bezeichnen ihre Versuche als „extrem nervig“ oder „aussichtslos“. Doch es ist möglich, wenn man eine Engelsgeduld aufbringt und es schafft, alle Daten in Gosuslugi und EMIAS anzugleichen.
Oder man geht den einfacheren Weg, wie die Studentin Katharina Tönsmann. Sie ging in St. Petersburg zu einer der offiziellen Impfstellen für Ausländer und holte sich eine Booster-Impfung. Nach dem Zeitpunkt der Erstimpfung in Deutschland wurde nicht einmal gefragt. Ihre Daten in Gosuslugi hat sie davor schon in Ordnung gebracht und dem Impfpersonal exakt so vorgelegt. So hat sie tatsächlich Ende November einen QR-Code bekommen.
Bei der Booster-Impfung geht alles einfacher
Mittlerweile scheinen die Vorgänge deutlich vereinfacht zu sein. Der schnellste Weg zum QR-Code ist tatsächlich die Booster-Impfung. Vielerorts bekommt man den Code dabei sogar ohne Snils und Gosuslugi-Konto.
Und manchmal geht es gar richtig schnell, wie eine andere Geschichte aus besagter Poliklinik Nr. 68 zeigt. Ein Kollege, der auch zu den früh im GUM Geimpften gehörte, holte dort seine Booster-Impfung ab. Man sagte ihm, der Code werde binnen 21 Tagen auf sein Handy geschickt. Da er ihn aber dringend schon zwei Tage später brauchte, bastelte ihm die Dame von der Info den Code schnell mit einem Programm zusammen. Alles ganz einfach.
Jiří Hönes