Der Trend zur Zweitimpfung

Wer mit dem russischen Impfstoff Sputnik-V gegen Covid-19 immunisiert ist, gilt in Deutschland nicht als geimpft. Betroffene können jedoch über eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff an das Impfzertifikat kommen. Das ist mitunter kompliziert, aber es klappt.

Doppelt geschützt: Katja Augel mit ihren beiden Impfzertifikaten

Anfang des Jahres hatten Deutsche in Russland einen entscheidenen Vorteil gegenüber ihren Landsleuten zuhause. Während dort eine Impfung gegen Covid-19 noch in weiter Ferne lag, konnte man sich in Moskau schon im Februar völlig unbürokratisch mit Sputnik-V impfen lassen. Viele haben das dankend in Anspruch genommen.

Im Frühjahr normalisierte sich die Situation nach und nach, der regelmäßige Flugverkehr wurde wieder aufgenommen und auch in Deutschland kam die Impfkampagne nach bitterem Warten im Sommer endlich in Fahrt. Gleichzeitig machte in Deutschland eine Impfung die Teilnahme am öffentlichen Leben um vieles einfacher. Je nach aktueller Inzidenzlage war für Ungeimpfte die Vorlage eines negativen Tests nötig, um etwa ein Restaurant zu besuchen. Im Juni kam der europaweite digitale Impfnachweis fürs Smartphone.

EU-Zulassung von Sputnik V in weiter Ferne

Doch wer auf eine schnelle EU-Zulassung von Sputnik-V gehofft hatte, wurde enttäuscht. Mit dem russischen Vakzin Immunisierte konnten also in Deutschland vorerst nicht in den Genuss von Impfprivilegien kommen, obwohl sie – darin sind sich die meisten Experten einig – einen guten Schutz vor dem Coronavirus haben. Das betraf sowohl Expats und Studenten auf Heimaturlaub als auch Menschen, die langfristig wieder nach Deutschland zogen. Es gab gar einige Deutsche, die auf Dienstreisen nach Russland die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hatten und sich impfen ließen.

Wer nur mal kurz auf einen Besuch nach Deutschland kommt, der kann damit leben. Doch wer zum Beispiel beruflich viel auf Reisen ist, für den wird die ständige Testpflicht schnell zur Last – und auch zum Kostenfaktor, sind doch in Deutschland und anderen EU-Ländern locker 80 Euro für einen PCR-Test fällig. In Russland kommt man mit rund 2300 Rubel (etwa 26,50 Euro) noch verhältnismäßig günstig weg.

Die richtige Wahl für die Auffrischung

Als im Sommer in Russland Auffrischungsimpfungen für Sputnik-V in Diskussion waren, war für viele die Gelegenheit gekommen, sich nun auch einen in der EU gültigen Impfschutz zu besorgen. Wer jedoch nach einer offiziellen Empfehlung suchte, für welchen Impfstoff man sich dabei entscheiden sollte, wurde enttäuscht. Das Robert-Koch-Institut verwies auf MDZ-Anfrage auf die Bundesärztekammer. Die wiederum bat, sich an das Robert-Koch-Institut zu wenden. An sich wenig verwunderlich, geht es doch um einen nicht zugelassenen Impfstoff, für Betroffene aber wenig zielführend.

Die mussten sich auf anderem Weg informieren. So etwa Thomas Koppers. Er arbeitet seit einigen Jahren in Moskau und hat sich bei seinem deutschen Betriebsarzt erkundigt, welche Möglichkeiten es gibt. „Beim Botschaftsarzt in Moskau war zweitweise der Impfstoff von Johnson & Johnson vorhanden“, sagt er gegenüber der MDZ, „doch davon hat mir der Betriebsarzt abgeraten.“ Bei dem Präparat handelt es sich wie bei Sputnik-V um einen Vektor-Impfstoff. Der Arzt empfahl bei einer vorhandenen vollständigen Impfung mit Sputnik-V in jedem Fall einen mRNA-Impfstoff zur Auffrischung zu verwenden. Das würde den Impfschutz gegenüber einer reinen Sputnik-V-Impfung deutlich erhöhen. Das passt zu der Mitteilung der Ständigen Impfkommission in Deutschland, die Kreuzimpfungen aus Vektorimpfstoffen und mRNA-Impfstoffen als reinen Vektorimpfungen überlegen ansieht.

Eine oder zwei Dosen?

So hat sich Tomas Koppers auf dem Weg in den Urlaub in Deutschland in der Betriebspraxis die erste Dosis des Präparats von Biontech/Pfizer spritzen lassen. „Gott sei Dank ist unser Betriebsarzt da recht flexibel“, sagt er. Denn seine Urlaubspläne passten nicht ganz zu dem vorgeschriebenen Abstand zwischen den beiden Spritzen. Die zweite Spritze sei aus ärztlicher Sicht nicht unbedingt nötig, habe der Arzt gesagt. Anders komme er jedoch nicht an das EU-Impfzertifikat.

Katja Augel dagegen hat einen Weg gefunden, mit nur einer Dosis Biontech/Pfizer das Zertifikat zu bekommen. Sie hat gerade in Moskau ihr Studium abgeschlossen und ist auf Urlaub in ihrer Heimat in Rheinhessen. Wie viele hatte sie sich im Februar und März in Moskau mit Sputnik-V impfen lassen.

Nach einiger Telefoniererei hat sie einen Arzt gefunden, der den Impfstoff auf Lager hatte. Er wollte sie zunächst nicht ohne Weiteres impfen – doch er erkundigte sich. Nach Rücksprache mit der Ärztekammer und dem Gesundheitsamt bat er sie zunächst, einen Antikörpertest zu machen. Der war dann positiv – und Katja Augel bekam eine Dosis des Impfstoffs, so wie es für Genesene vorgesehen ist. Den Nachweis zu bekommen, war dann jedoch nicht ganz einfach.

Bürokratische Hürden

„Mit dem Impfpass bin ich zur Apotheke, um den QR-Code zu erhalten, aber der Apotheker hat mich weggeschickt, da ich ja keinen Genesenen-Nachweis habe“, sagt sie gegenüber der MDZ. Also hat sie es beim Hausarzt versucht, ebenfalls Fehlanzeige. „Nach viel Herumtelefonieren wurde mir letztlich gesagt, dass der Arzt von dem Labor, das den Test durchgeführt hat, es mir ausstellen könnte“, berichtet Katja Augel.

Die Beispiele zeigen: Es braucht ein wenig Geduld und Flexibilität, doch auch mit einer Sputnik-Impfung kommt man über eine Auffrischung an sein EU-Impfzertifikat. An der Situation wird sich vorerst auch nichts ändern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ erst Anfang August mitteilen, dass eine Zulassung von Sputnik-V aufgrund fehlender Daten bislang nicht absehbar sei.

Zwar hat die EU Anfang Juli Russland den Vorschlag unterbreitet, auf eine gegenseitige Anerkennung der digitalen Impfnachweise hinzuarbeiten, doch außer dass Kremlsrecher Dmitrij Peskow die Idee begrüßte, ist seither nicht viel geschehen.

Jiří Hönes

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