
Noch vor wenigen Jahren waren auch in Moskau traditionelle Lebensmittelmärkte ein gewohntes Bild. Manche befanden sich im Freien, manche unter einem Dach. Doch die wachsende Dichte an Supermärkten und das geänderte Einkaufsverhalten ließen sie zunehmend antiquiert wirken.
Als sich die ersten Markthallen in Moskau neu erfanden, staunten die Besucher nicht schlecht. Der mit Abstand größte Mehrwert solcher Orte war bis dahin gewesen, dass dort frische Ware zu vergleichsweise günstigen Preisen erworben werden konnte. Nun trat auf einmal der Wohlfühlfaktor in den Vordergrund. Der Kunde sollte gern auch ein wenig länger bleiben wollen, vielleicht einen Happen essen und in netter Atmosphäre bereit sein, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Was in den neuen Konsumoasen so appetitlich feilgeboten wird, dass einem die Augen übergehen, kostet nämlich das Doppelte und Dreifache eines durchschnittlichen Ladenpreises. Doch nach den Besucherzahlen zu urteilen, brummen die Geschäfte.
Die Vorreiter
Als Pionier dieser Markt-Wirtschaft darf der Danilowski-Markt in der Nähe des Danilow-Klosters gelten. Schon zu Sowjetzeiten war er ein Aushängeschild: Die US-Präsidenten Richard Nixon (1959) und Ronald Reagan (1988) schauten hier bei Staatsbesuchen auf einen Sprung vorbei. 1986 wurde die Markthalle mit ihrer kühnen, bis zum Boden reichenden Dachkonstruktion errichtet. 2015 begann der Umbau zu einem urbanen Einkaufs- und Esstempel. Für die Gaumenfreuden sorgen mehr als 40 Mini-Restaurants mit Gerichten aus aller Herren Länder.

Auch ein Trendsetter ist der Ussatschjowski-Markt im Altstadt-Bezirk Chamowniki: Er hat sogar eine eigene App. Die heute fast 50 Jahre alte Markthalle wurde 2016 aufwendig rekonstruiert, ihre äußere Form ist hinter diversen Veranden kaum noch zu erkennen. Das Speisenangebot ist umfangreich und auf den zwei Etagen drinnen wie draußen immer Betrieb, denn an gut verdienender Mittelschicht besteht in der Gegend kein Mangel. Gegenüber wurde erst in jüngster Zeit ein ganz neues Wohnviertel für eine kaufkräftige Kundschaft aus dem Boden gestampft.
Der Dorogomilowski-Markt unweit des Kiewer Bahnhofs genießt einen legendären Ruf. Er richtet sich nicht nur an Büromenschen, was sich schon daran zeigt, dass bereits um 6 Uhr geöffnet wird. Von hier beziehen angeblich auch namhafte Restaurants ihre Rohstoffe. Der Stolz des Marktes sind die ungeheuer geschäftige Fleisch- und die Fischabteilung. Es macht Spaß, einfach nur dem Markttreiben zuzusehen. Für Verpflegung ist zwar eher am Rande, aber auch gesorgt.

Sortiment nicht immer gleich
Eine weitere Institution ist der Rigaer Markt, denn er kann mit einer Spezialität aufwarten: Eine größere Auswahl an Blumen gibt es nirgendwo in Moskau. Deshalb bilden sich hier speziell am Frauentag lange Schlangen. Mit Gastronomie oder Musik umschmeichelt wird der Kunde nicht: Die gesamte Anmutung ist etwas streng.
Da geht es unter dem Dach des Tscherjomuschkinski-Markts, des Rogoschski-Markts und des Bagrationowski-Markts sehr viel entspannter zu. Letzterer hat dabei das größte Upgrade hinter sich: Sein Vorläufer war ein typischer Straßenmarkt ohne befestigte Bauten, das heutige Gebäude ist deshalb nicht nur eine Reinkarnation, sondern komplett neu. Die Einweihung erfolgte 2019.
Alle genannten Markthallen sind an sieben Tagen in der Woche und meist bis in die späten Abendstunden geöffnet. Manche bieten auch einen Lieferservice an.
Tino Künzel