Warum hat nie jemand Hitler Humor beigebracht? – Deutsche Nachkriegskomödie lässt Moskowiter schmunzeln und hüsteln

Lachen über den Holocaust? Ein heikles Thema. „Es war einmal in Deutschland“ ist darum ein Film, bei dem einem das Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt. Dann aber manchmal doch noch durchrutscht.

Der Hitler hatte auch seine schwachen Stellen – schließlich war er ja auch nur ein Mensch. Vor allem Witze machten ihm zu schaffen: Der Führer überzeugte zwar viele von der Tribüne, hatte aber keinen Sinn für Humor. Im Gegensatz zu einem Juden, der Sachsenhausen nur überlebt hat, weil er Witze erzählte. „Warum nicht auch Hitler diese Kunst beibringen?“, dachte sich das KZ-Kommando und schickte den armen Häftling als verkleideten Arier zum Reichstag…

In den Weltkriegsruinen wurde womöglich nicht nur geweint. / X-Verleih

In den Weltkriegsruinen wurde womöglich nicht nur geweint. / X-Verleih

Nein, das ist kein Scherz, sondern die Lebensgeschichte von David Bermann – dem Protagonisten der neuen Nachkriegsgeschichte von Sam Garbarski. „Es war einmal in Deutschland“ feierte auf der Berlinale im Februar dieses Jahres Premiere, kam im April weltweit in die Kinos und einen Monat später schließlich auch auf die russischen Leinwände. Im Moskauer Kino „35mm“ wird der Film auch in Originalsprache, also auf Deutsch, ausgestrahlt.

Er ist als Komödie angekündigt. Das ist er auch. Aber jedes Mal hat das Lachen einen bitteren Nachgeschmack. „Hitler ist tot, wir aber leben!“, sagt Bermann (Moritz Bleibtreu) am Anfang des Filmes zu seinem jüdischen Kumpel. Vor dem Krieg besaß seine Familie „das schönste und größte“ Unterwäsche-Geschäft in Frankfurt. 1946 will er es wiederaufbauen, aber bekommt von den Amerikanern keine Lizenz. So entsteht ein neues Business-Modell: Die überlebenden Juden gehen mit ihren Waren zu den Deutschen nach Hause. Die Neu-Unternehmer finden ihre ersten Kunden in den Todesanzeigen. Ihre dunkle Vorgeschichte lässt die beiden Seiten aber nicht los. Bermann wird Kollaboration mit den Nazis vorgeworfen. Immer wieder erzählt er bei Verhören seine surreale Überlebensgeschichte.

Die Deutschen wollen derweil oft nichts vom Holocaust gehört haben. Aber die Opfer erkennen „ihre“ Täter. Und so lebt Deutschland nach dem Krieg – verwundet und verwirrt wie der komische Hund auf drei Pfoten, der Bermann immer wieder zur falschen Zeit den Weg kreuzt…

Garbarski spielt mit Vorurteilen der Nazi-Propaganda in den Köpfen der Deutschen, ironisiert alles und jeden und auch sich selbst. Der Film basiert auf zwei autobiographischen Romanen von Michel Bermann. Der echte David Bermann blieb tatsächlich in Frankfurt, gründete das Geschäft neu und galt als ein außergewöhnlicher Witzeerzähler. Er war einer von rund 4000 Juden, die nach dem Krieg nicht aus Deutschland auswanderten. Und wie es am Ende des Films auf dem Bildschirm steht: „Keiner konnte seinen Kindern später erklären, warum“. Als ob alles nur ein Scherz gewesen wär.

Julia Schewjolkina 

Kinoteatr 35mm 

Ul. Pokrowka 47/24

M Tschistyje Prudy 

www.kino35mm.ru 

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