Stadtplanung in Moskau: die Konstruktion der Zukunft

Wer hat wann die Zukunft der Stadt geplant? Und was können wir heute noch davon sehen? Eine Ausstellung im Museum Moskaus widmet sich der Stadtplanung im Spiegel der Geschichte. Unterhaltsame Kurzfilme bringen das Thema auch Laien anschaulich nah.

Katharina die Große, Stadtplanung
„Straßen verbreitern!“ Wie viele der Mächtigen hatte Katharina die Große Visionen für Moskau. Foto: Jiří Hönes

„Wir leben in der Zukunft unserer Eltern und wir planen die Zukunft unserer Kinder.“ Mit diesen Worten begrüßt die Ausstellung „Moskau: die Zukunft planen“ ihre Gäste. Das Museum Moskaus hat sich damit zur Aufgabe gemacht, die Stadtplanung im Wandel der Zeit plastisch aufzuarbeiten. Wer macht Stadtplanung? Welchen Einfluss haben die Herrschenden? Welchen die Theoretiker, Planer und Konstrukteure? Das alles kommt bei Weitem nicht so trocken und verkopft daher, wie es vielleicht klingen mag.

Die Besucher werden zunächst von einer Reihe an Kurzfilmen empfangen, die sich einzelnen Aspekten der Entwicklung Moskaus widmen. Die Filme sind kurzweilig und charmant gestaltet. Im Stil von Collagen wurden historische Gemälde, Fotos und Filme kombiniert, teils koloriert, teils in Schwarz-Weiß. Der Zuschauer kann dem Macher über die Schulter schauen, wenn Werkzeugfenster des Grafikprogramms zu sehen sind, der Grafiker wird zum Konstrukteur, indem er Elemente markiert, kopiert, ausschneidet und einfügt.

Anschauliche Kurzfilme

Im Film über die Parks der Stadt erfährt man zum Beispiel, dass der Gorki-Park Anfang der 1920er Jahre ein Ausstellungsgelände war. Bunte Poster luden 1923 zur „Allrussischen landwirtschaftlichen und handwerklich-industriellen Ausstellung“, die hier und auf den Sperlingsbergen stattfand. Nach dem Zerfall der Sowjetunion verkam er zum Rummelplatz, bevor seine heutige Gestalt annahm. Im Film werden die Achterbahnen aus dem Park geschnitten, so wie an anderer Stelle Parkplätze, Müllkippen und Industriebrachen, die Grünanlagen Platz machen.

Das ist toll und anschaulich gemacht. Bisweilen gewinnt man aber den Eindruck, dass sich die Stadtverwaltung ein wenig selbst feiert. Im Film über das Wohnen wird dargestellt, wie in Sowjetzeiten das Konzept der Mikrobezirke entwickelt wurde. Durchgeplante Stadtviertel mit Wohnbereichen und der kompletten Infrastruktur, die für das alltägliche Leben nötig sind, Einkaufsmöglichkeiten, Schule, medizinische Versorgung. „Es lebt sich dort gut, doch sie sehen alle gleich aus“, sagt der Sprecher.

Wer hat wann die Stadt geplant?

Heutige Siedlungen mit ihren deutlich höheren Wohntürmen und den „gemütlichen Gassen und individuellen, zeitgenössischen Fassaden“ böten eine viel höhere Lebensqualität. Spricht man mit Architekten oder Urbanisten, kann man hierzu auch ganz konträre Meinungen hören. Einer Diskussion in diese Richtung geht die Ausstellung leider aus dem Weg.
Das macht sie nicht weniger sehenswert, denn die Themen sind didaktisch wirklich sehr gut aufbereitet. Weiter in die Tiefe geht es hinten im Raum.

Ein Zeitstrahl illustriert dort, wie sich die verantwortlichen Strukturen innerhalb des Macht- und Verwaltungsapparats im Laufe der Zeit verändert haben. Wo heute der Bürgermeister mit seiner Regierung aus Fachbürgermeistern und etlichen nachgeordneten Abteilungen zu sehen ist, war zur Mitte des 18. Jahrhunderts ein einziger Stadtarchitekt angestellt, welcher dem Büro des Polizeichefs unter der Kontrolle von Zarin Elisabeth unterstand.

Direkt nebenan finden sich Tafeln zu einflussreichen Architekten, Stadtplanern und Bauingenieuren aus der Geschichte der Stadt. Da­runter sind nicht nur Ikonen wie Konstantin Melnikow, sondern auch viele weit weniger bekannte Persönlichkeiten.

Fundgrube: städtebauliche Utopien

Ein besonderer Anziehungspunkt ist die Abteilung über städtebau­liche Utopien. Aus vielen Metropolen bekannt sind die urbanen Zukunftsvorstellungen aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg, auch Moskau hat hier etwas zu bieten. Eine Ansichtskarte aus der Serie „Zukünftiges Moskau“ von 1914 etwa zeigt den Roten Platz voller Verkehrsgetümmel, Autos, Straßenbahnen, grimmig dreinschauender Radfahrer, darüber gleitet in luftiger Höhe eine Art Straßenbahn mit Propeller und Flügeln.

Die Auswüchse der stalinis­tischen Gigantomanie werden fassbar im Projekt des Palastes der Sowjets, der anstelle der geschleiften Christ-Erlöser-Kathedrale am Ufer der Moskwa entstehen sollte. Mit 415 Metern wäre es das höchste Gebäude Europas geworden. Der Krieg und Stalins Tod 1953 verhinderten die Fertigstellung.

Ausstellung noch bis Mitte Mai

Geradezu leichtfüßig und zukunftsfroh wirken dagegen die Schwebebahnvisionen aus den 1960ern. Und sogar aus ganz jungen Tagen finden sich nicht realisierte Visionen, die einen erstaunen lassen. Im Jahr 2007 machte der Entwurf für ein „Fensterhaus“ am Leninskij Prospekt von Jurij Platonow die Runde. Das 40-stöckige Gebäude in technofuturistischem Stil hätte das Gagarin-Denkmal um das Dreifache überragt und die Staße überspannt. Es sollte ein Zentrum für Informatik und Zukunftstechnologien beherbergen. In der Mitte prangt ein Loch mit 100 Metern Durchmesser. Schade eigentlich.

Noch bis zum 14. Mai kann man im Museum Moskaus eintauchen in die Zukunft von gestern und heute. Der Eintritt in die Ausstellung kostet 200 Rubel (etwa 2,35 Euro).

Jiří Hönes

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