Rodtschenko-Ausstellung in Moskau: Wie er es gewollt hätte

Unter den Fotografinnen und Fotografen der russischen Avantgarde ist er der mit Abstand bekannteste Bis heute orientieren sich junge Künstler auf der ganzen Welt an Alexander Rodtschenko. Nun hat eine neue Ausstellung eröffnet – unter anderen kuratiert von seiner Urenkelin.

Verdrehte fast allen Avantgardisten den Kopf: Lili Brik
(Foto: Pressestelle „Brüder Lumère”)

Als Alexander Rodtschenko 1924 damit begann, Fotos zu machen, hatte er bereits seine Spuren in der abstrakten Malerei und anderen Feldern der Kunst hinterlassen. Als Teil der russischen Avantgarde war es ihm gelungen, an der Erschaffung einer neuen Epoche mitzuwirken. Was der stets experimentierfreudige Russe jedoch für die Fotografie leisten sollte, das kann wohl als sein größtes Verdienst gelten. Mit extremen Perspektiven aus allen erdenklichen Winkeln verlieh er seinen Fotos bis dahin ungekannte Dynamik.

Eine Ausstellung als Familienprojekt

Die diagonalen Formen und verzerrten Spiegelungen orientierten sich an dem, was Rodtschenko aus der Malerei kannte. Er übertrug das konstruktivistische Prinzip auf die Kunstform der Fotografie. Seine Arbeiten beeinflussen das Metier bis heute. Nun stellt das Zentrum für Fotografie „Brüder Lumière“ das Werk des Künstlers einmal mehr in Moskau zur Schau. Die Avantgarde ist ein Dauerbrenner in der russischen Hauptstadt – und Rodtschenko sowieso. Doch was die kleine Galerie auf der Moskauer Bolotnyj-Insel liebevoll darbietet, ist besonders: Es handelt sich um eine Art Familienproduktion.

Seine spätere Frau und lebenslange Begleiterin Warwara Stepanowa lernte Alexander Rodtschenko während seines Studiums an der Kunstschule von Kasan kennen. Nach dem Tod ihres Mannes stellte Stepanowa eine Foto-Ausstellung zusammen und wählte all das aus, was der Künstler selbst zu seinem Hauptwerk zählte. An ihrer Zusammenstellung orientiert sich nun die aktuelle Ausstellung.

Mit Fokus auf die Technik

Die Wände der Galerie zieren insgesamt 58 Drucke, aufgeteilt in zwei thematische Portfolios: Während der erste Rodtschenkos Porträtfotografie gewidmet ist, gilt der zweite seinen typischen, perspektivischen Aufnahmen. Die Bilder wurden zwischen 1994 bis 1997 unter der Leitung von Rodtschenkos Tochter, Warwara Rodtschenko, sowie seines Enkels Alexander Lawrentjew aus den Originalfilmen entwickelt. Man sogar nutzte sogar das persönliche Foto-Labor des Großmeisters.

„Ursprünglich sollten sich diese beiden Portfolios nicht nur in Museen befinden, sondern vor allem dort, wo Fotografie studiert wird“, erklärt Rodtschenkos Urenkelin Jekaterina Lawrentjewa im Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur Tass. Sie ist Co-Kuratorin der neuen Ausstellung. Bei den Kopien habe man sich an die spezielle Druckmethode des Künstlers gehalten. Auch die Größe der Fotos wurde so gewählt, dass sie jenen Maßen entspricht, in denen Rodtschenko seine Werke einst an Publizisten und Redakteure verschickte. Laut Lawrentjewa soll es vor allem um genau das gehen: die Technik Rodtschenkos. Abhilfe schaffen neben dem russischen Audioguide vor allem die Infotafeln in englischer Sprache.

Interessanter Einblick in die Szene

Um das Szenenleben der russischen Avantgarde gibt es dennoch kein Herumkommen. Mehrmals treffen die Besucher auf Wladimir Majakowskij, einen „Held“ Rodtschenkos, einen „Stammgast in seinem Studio“, wie die Urenkelin zu erzählen weiß. Ein Porträt des berühmten sowjetischen Dichters hängt neben seiner großen Liebe: der Bildhauerin und Avantgarde-Muse Lilja, genannt Lili, Brik. Eine Aufnahme Ossip Briks, der die anfängliche Affäre zwischen Majakowskij und seiner Frau nicht nur duldete, sondern schon bald an ihr teilnahm, vervollständigt das romantische Trio. Geschichten wie diese finden sich überall in der Ausstellung. Und besser als mit den Fotos des zeitlosen Rodtschenko könnte man sie gar nicht erzählen.

Tickets gibt es zum Standardpreis von 400 Rubel.

Noch bis zum 5. April
Zentrum für Fotografie „Brüder Lumière”
Bolotnaja nabereschnaja 3/1
Metro Kropotkinskaja oder Poljanka
www.lumiere.ru

Patrick Volknant

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