Das heutige Moskau ist äußerst erfolgreich: Ilja Ponomarjow über Sergej Sobjanin

Der frühere Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow ist einer der schärfsten Kritiker der Politik Wladimir Putins. Er war einer der Organisatoren der Proteste nach den Parlamentswahlen 2011 und stimmte als einziger Abgeordneter gegen die Angliederung der Krim. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen lebt Ponomarjow seit 2014 im Exil. Im Interview mit der MDZ spricht Ponomarjow über die Entwicklung Moskaus unter Sergej Sobjanin.

Sobjanin

Ilja Ponomarjow /Foto: privat

 

Herr Ponomarjow, wie bewerten Sie die Entwicklung Moskaus in den letzten Jahren?

Im Großen und Ganzen positiv. Demokratie, Selbstverwaltung und bürgerliche Freiheiten schrumpfen zwar immer mehr, wie im gesamten Land. Dafür werden für die Entwicklung der Infrastruktur bedeutende Mittel eingesetzt. Und diese Ausgaben scheinen, verglichen mit der Regierungszeit des alten Bürgermeisters Juri Luschkow, sehr durchdacht zu sein. Für mich ist der Bürgermeister allerdings mehr ein wirtschaftliches denn ein politisches Amt.

Was hat sich in der Stadt geändert? Kann man die Handlungen Sobjanins als Erfolg bewerten oder doch eher als Blendung?

Ich möchte betonen, dass man das alles im Vergleich sehen muss, im Vergleich mit anderen Regionen Russlands und mit dem Moskau der Luschkow-Zeit. Ich glaube, dass das Moskau Sobjanins äußerst erfolgreich ist. Es gibt vieles, dass mir gefällt: die Sanierung des Zentrums, die städtebaulichen Initiativen, ebenso die Neuorganisierung des Straßenverkehrs und die Entwicklung des Nahverkehrs.

Ich habe seit längerem nicht mehr die Möglichkeit, in Russland zu leben, deswegen kann ich das nur von außen beurteilen. Man muss sich aber vor Augen halten, dass in einem System wie unter Wladimir Putin, in dem die Regionen ausgesaugt werden und Moskau übermäßig viel vom Geldfluss erhält, noch um einiges mehr hätte getan werden können.

Inwiefern geht die Initiative wirklich von Sobjanin aus?

Ich kenne Sobjanin sehr lange, noch aus seiner Zeit als Betriebsgewerkschaftsleiter bei Kogalymneftegas. Im Jahr 2001 wurde er Gouverneur des Gebiets Tjumen, mit aktiver Unterstützung von Michail Chdorkowskis Firma Jukos, in der auch ich damals gearbeitet habe. Und er war der beste Gouverneur, den diese äußerst wichtige Region hatte, jemand, für den man sich nicht schämen musste. Er ist eine starke Person, entschlossen, nicht korrumpiert und besitzt eine überragende Leistungskraft. Gleichzeitig ist Sobjanin in erster Linie ein Funktionär, ein treuer Parteisoldat. Und die ist nun die Partei Putins, was viele seiner positiven Seiten konterkariert.

Sobjanin ist nicht der Mensch, unter dem in Moskau Demokratie und Selbstverwaltung Einzug halten. Das mussten die Menschen im Jahr 2011 auf unerfreuliche Weise erfahren, als es nach den Fälschungen bei der Parlamentswahl zu den Massenprotesten auf dem Bolotnaja-Platz kam. Aber das ist die Politik, bei der sich der Moskauer Bürgermeister unsicher fühlt und sich dem Präsidenten unterordnet. Sobjanin ist bei Leibe kein Robespierre. Aber als Moskauer „Direktor“ fällt er die Entscheidungen auf jeden Fall selbstständig und kontrolliert deren Umsetzung mit harter Hand. Wenn es im Land eine progressive Führung geben würde, wäre jemand wie Sobjanin außerordentlich wertvoll. Aber unter den Bedingungen der Machtvertikale Wladimir Putins würde er meine Stimme nicht bekommen.

Welche Aufgaben gilt es nach der Wahl anzupacken? Was sind die größten ungelösten Probleme?

Wenn man den Kurs beibehalten und das Angefangene zu Ende bringen möchte, würde ich mich auf die Entwicklung der lokalen Selbstverwaltung konzentrieren. Wenn man die Macht mit den Moskauern teilt, kann man Fehler vermeiden, die das nicht kontrollierte Rathaus in Hülle und Fülle begeht. Man würde ebenso die Effektivität der Nutzung der Mittel erhöhen und einen Heileffekt für die gesamtpolitische Situation im Land erzielen.

Die Fragen stellte Daniel Säwert

 

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