Übersetzer als Agenten: Damit wir uns besser verstehen

Übersetzer übertragen nicht nur Texte. Oftmals leisten sie auch Überzeugungsarbeit bei Verlagen und tragen so gleich doppelt dazu bei, dem russischen Publikum die deutsche Literatur zu erschließen. Ein Wettbewerb soll diese Arbeit würdigen.

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Goethe auf Russisch? Übersetzer machen es möglich. /Foto: Buchcover

Es gibt Wörter, bei denen Maschinen an ihre Grenzen stoßen. Brückentag zum Beispiel, Dunkelziffer oder Geschmacksverirrung. Die kann Google nicht ins Russische übersetzen, geschweige denn erklären, was damit gemeint sein soll. Wenn schon drei Begriffe Kopfzerbrechen bereiten, was bedeutet es dann erst für Übersetzer, ein ganzes Buch ins Russische zu übertragen?

„Man muss extrem verliebt sein in ein Werk und viel Geduld mit sich selbst haben“, sagt der Leiter des Moskauer Goethe-Instituts Rüdiger Bolz. Um ein solches Engagement zu fördern, wurden Ende September der „Merck-Übersetzerpreises 2018“ und der „Goethe-Förderpreis“ für Übertragungen deutschsprachiger Werke ins Russische ausgeschrieben. Ausgezeichnet werden im Herbst 2018 Werke der Belletristik, der Kinder- und Jugendliteratur und  populärwissenschaftliche Publikationen sowie eine hervorragende Erstveröffentlichung.

Übersetzer ergreifen die Initiative

Die Arbeit der Übersetzer sei in Russland nicht mit der Übertragung des Textes getan, erklärt Bolz. Vielmehr seien sie gleichzeitig auch Scouts und literarische Agenten, weil es meist erst auf ihre Initiative hin dazu komme, dass deutsche Bücher auf Russisch erscheinen.

So war es zum Beispiel im Fall des Buches „Der Trompeter von Säckingen“, das der Verlag Aletheia dieses Jahr herausbrachte. Geschrieben hat es Joseph Victor von Scheffel im Jahr 1854. „Er war einer der größten Vertreter der deutschen Romantik, aber in Russland weiß man fast gar nichts über ihn“, fanden die Verantwortlichen des Verlags und ließen das Werk übertragen, auch wenn ihnen bewusst war, dass es eher nicht auf den Bestsellerlisten landen wird.

Vom Sams bis Habermas

Unter den übersetzten Werken, die kürzlich veröffentlicht wurden oder demnächst erscheinen, ist Scheffel allerdings eher eine Ausnahme. Einen Überblick hat das Goethe-Institut, bei dem Verlage und Übersetzer Zuschüsse zu den Honorarkosten beantragen können.

Auf der Liste der geförderten Werke stehen Kinderbücher wie „Rund ums Schiff“ von Ali Mitgutsch oder „Onkel Alwin und das Sams“ von Paul Maar. Es finden sich Bücher von Christa Wolf, Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ und Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, ebenso Sachbücher wie Karl Schlögels „Entscheidung in Kiew“ und wissenschaftliche Literatur von Max Weber und Jürgen Habermas.

Russland bei Lizenzen auf Platz sieben

Einen internationalen Vergleich ermöglichen die Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Denen zufolge wurden 2016 insgesamt 7310 Lizenzen ins Ausland vergeben. Russland liegt mit 286 Lizenzen auf Platz sieben hinter China, Spanien, Frankreich, Tschechien, der Türkei und Italien. Wobei nicht gesagt ist, dass aus allen Verträgen auch tatsächlich Bücher wurden.

Umgekehrt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 101 aus dem Russischen übersetzte Werke veröffentlicht. Zudem erschienen auch 217 Titel in russischer Sprache.

Buchcover

Ein Kinderbuch von Ali Mitgutsch, Ilma Rakusas „Mehr Meer“, Christa Wolfs „Moskauer Tagebücher“


Mehr als Chemie: Warum Merck Übersetzer auszeichnet

Dass sich das Chemie- und Pharmaunternehmen im Bereich Literatur engagiert, führt der Generaldirektor von Merck Russia, Jürgen König, unter anderem auf die Tradition der Industriellenfamilie Merck zurück. Diese gründete das Unternehmen 1668 und ist bis heute Mehrheitseigentümerin des börsennotierten Konzerns. Der Name Merck ist aber auch mit Sprache, Literatur und Russland verbunden. So wurde Johann Heinrich Merck (1741–1791) als Intellektueller, Schriftsteller und Forscher bekannt. Er war aber auch Freund und Verleger Goethes. Sein Neffe Carl Heinricht Merck nahm an einer Expedition nach Sibirien und Alaska teil und starb 1799 in St. Petersburg. Die Auszeichnung für Übersetzer ins Russische ist einer von fünf Literaturpreisen, die das Unternehmen vergibt oder unterstützt. Auch in Japan, Indien, Italien und Deutschland ist es in diesem Bereich aktiv.

Corinna Anton

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