Von Angst bis Paranoia

Der Journalist Thomas Franke sieht in Russland die „Staatsfurcht“ zurückkehren.

Thomas Franke "Russian Angst" / Buch-Cover

Thomas Franke „Russian Angst“ / Buch-Cover

Haben Sie Angst? Fürchten Sie sich in oder vor Russland? Denken Sie dreimal darüber nach, wem Sie was erzählen? Fühlen Sie sich in Russland unfrei?

Liest man das neue Buch „Russian Angst – Einblicke in die postsowjetische Seele“ des deutschen Journalisten Thomas Franke, bekommt man den Eindruck, Russland sei ein Land der kleinen, unterdrückten, wenn nicht gar niedergemachten Leute – überwältigt von einem sich diktatorisch erhebenden, grauenhaften Staatsapparat.

„Wichtig ist nur: Die Angst ist wieder da, wenn sie denn jemals wirklich weg war. Dabei deutete vor ein paar Jahren noch alles darauf hin, dass die russische Gesellschaft beginnen würde, sich gegenüber dem Staat zu emanzipieren“, heißt es im Vorwort und weiter: „Es geht um mein inneres Unbehagen, das immer weiter wuchs, je aggressiver die Politik der russischen Regierung wurde.“

Für Franke ist der Journalismus – das verrät das Buch ganz deutlich über den Autor – nicht nur Beruf, sondern Berufung. Und so entstand auf 260 Seiten, erschienen in der Edition Körber-Stiftung, eine teils action-geladene, teil zähflüssige Reportage über Frankes Eindrücke in Russland seit der Rückkehr Wladimir Putins auf den Präsidentenposten 2012.

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Allerlei Personen kommen zu Wort. Aktivisten und einfache Teilnehmer der Bolotnaja-Prozesse, Organisationen, die als „Ausländische Agenten“ deklariert, geschlossen wurden, Journalistenkollegen und Menschen, die zwar einst irgendwo im Staatsapparat gearbeitet, der Macht letztlich aber den Rücken zugekehrt haben. Scheinbar hat erst dieser Schritt sie zu „würdigen“ Interview-Partnern gemacht. Denn Aussagen heutiger Beamter, Medien im Staatsauftrag oder auch der einfachen Rentnerin am Straßenrand fehlen.

Das ist schade – nicht nur, weil es Angriffsfläche für Kritiker bietet, die Stimmen anderer hätten dieses Panoramabild sicherlich abgerundet. Doch so bleibt es ein ewiger Fluss von Besuchen, Treffen, Aussagen, Demonstrationen und Hintergrunderzählungen aus Moskau, Nowosibirsk, Wolgograd, Sotschi und anderen russischen Städten. Geschichten, die seit Jahren auch in der internationalen Presse zu finden sind.

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Und auch ein wirklicher Protagonist fehlt schmerzlich. Bleiben doch all die durchaus spannenden Episoden letztlich nur Eindrücke ein und desselben Autors, der sich immer unwohler zu fühlen scheint in einem Land, das er doch schon so oft bereist hat.

Zu den tatsächlich interessantesten Momenten gehören übrigens die Erinnerungen Frankes an seine Reporterreisen ins Moskau kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion.

Peggy Lohse

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