Modernere Wagen, stabilerer Fahrplan

Die Tram der Hauptstadt konnte in diesem Jahr einen Preis absahnen. Sie wurde von einer britischen Fachjury als das Netz ausgezeichnet, das sich am meisten verbessert hat. Was hat die Experten überzeugt und wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?

Ein „Witjas-M“, die neueste Wagengeneration bei Moskaus Straßenbahn
Komfortabel und geräumig: ein Wagen der Reihe „Witjas-M“ (Foto: Jiří Hönes)

Moderne und komfortable Fahrzeuge, vom Stau auf den Straßen unabhängige Gleise, bequeme und sichere Haltestellen, innovative und umweltfreundliche Technologien und ein ausgeprägter Sinn für Traditionspflege – das sind die Gründe, die die Jury dazu bewogen haben, die Moskauer Straßenbahn in diesem Jahr mit dem Preis für das Netz mit den meisten Verbesserungen auszuzeichnen. Der „Global Light Rail Award“ wird jährlich von der britischen Nahverkehrsbranche initiiert.

In der Tat hat sich die Moskauer Tram in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht zum Positiven gewandelt. Unter Bürgermeister Jurij Luschkow wurden ab Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Linien stillgelegt. Investiert wurde damals nur wenig. Dies änderte sich vor etwa zehn Jahren.

Moderne Wagen auf dem Vormarsch

Moskau folgte damit dem internationalen Trend der Renaissance der Straßenbahnen, der seit den 1980er Jahren zu beobachten ist. Für Pawel Kusin, Ingenieur an der Moskauer Universität für Verkehrswesen (MIIT), war es nur eine Frage der Zeit, dass dieser auch Moskau erreichte. Der Wechsel des Bürgermeisters und damit des Führungsteams habe schließlich den Ausschlag zu der Entwicklung gegeben, wie er gegenüber der MDZ sagt.

Die sichtbarste Verbesserung sind die neuen dreiteiligen Straßenbahnwagen der Reihe „Witjas-M“, die seit 2017 auf den Moskauer Gleisen unterwegs sind. Die von der kleinen Firma PK Transportnyje Sistemy in Twer entwickelten Fahrzeuge prägen mittlerweile das Bild der Stadt, knapp 400 Stück wurden bereits in Dienst gestellt. Mit niedrigen Einstiegen, einer gut durchdachten Inneneinrichtung und Klimaanlage stünden sie den Modellen der großen Hersteller der Welt in nichts nach, so Pawel Kusin. Die neuesten Ausführungen kommen zudem mit USB-Ladebuchsen daher.

Hersteller übernimmt die Wartung

Der Experte hebt außerdem hervor, dass der Vertrag mit dem Hersteller nicht nur die Lieferung, sondern auch die Wartung für die Lebensdauer der Fahrzeuge umfasst – ein Modell, das auch in Europa mittlerweile Standard bei Ausschreibungen ist. „Das motiviert den Hersteller, hochwertige Produkte zu liefern, anstatt zu erwarten, dass das Depot alle Fehler behebt“, sagt Pawel Kusin.

Noch sind in Moskau auch die klassischen „Tatras“ unterwegs, rustikale Wagen aus tschechoslowakischer Produktion. Bei Straßenbahnfans von Dresden bis Sibirien sind sie Kultobjekte, Fahrgäste mit Kinderwagen bringen sie mit ihren steilen Stufen an den Türen dagegen eher zur Verzweiflung. Bald soll damit endgültig Schluss sein. Ab 2024 sollen nur noch Fahrzeuge der neuesten Generation zum Einsatz kommen, so der Pressedienst von Mosgortrans gegenüber der MDZ. Noch einmal 75 Witjas-M sind bestellt, dazu kommen 130 neue einteilige Straßenbahnen, die auf den Linien mit weniger Fahrgästen eingesetzt werden sollen.

Die Straßenbahn hat an der Ampel Vorrang

Auch an der Infrastruktur gab es in den vergangenen Jahren wichtige Verbesserungen. Da sind etwa die Haltestellen mit einem etwas erhöhten Bahnsteig, der einen ebenerdigen Einstieg ermöglicht wie bei der Metro. Die gibt es selbst dort, wo sich die Straßenbahn den Platz mit dem Pkw-Verkehr teilt. Diese Strecken, die bei Stau auf der Straße oft zu Verspätungen führen, wurden jedoch ohnehin immer seltener. Laut Mosgortrans sind mittlerweile 80 Prozent des Netzes vom Straßenverkehr unabhängig. Da wo das aus Platzgründen nicht möglich ist, wird mit Markierungen auf der Straße gearbeitet.

Außerdem wurden an vielen Stellen sogenannte Vorrangschaltungen eingebaut. Diese schalten die Ampeln an Kreuzungen automatisch so, dass die Straßenbahn Vorfahrt bekommt. „Diese Maßnahmen beschleunigen den Verkehr je nach Strecke um zehn bis 50 Prozent und sorgen vor allem für einen regelmäßigen Takt“, so Pawel Kusin. Dass eine ganze Kolonne Wagen auf einmal angefahren komme und danach eine halbe Stunde gar nichts, das gebe es kaum noch.

Das Netz wächst nur sehr langsam

Einen Pluspunkt seitens der britischen Expertenjury gab es auch für die Bahnschwellen, die bei der Erneuerung von Gleisen eingesetzt werden. Die sind nämlich aus Recycling-Kunststoff hergestellt. Laut Mosgortrans besteht eine solche Verbundschwelle aus 75 Kilogramm Kunststoff oder 1200 Kunststoff­flaschen. Sie seien zudem weniger anfällig für Beschädigungen und hätten eine Lebensdauer von etwa 50 Jahren.

Doch bei allen diesen Verbesserungen bleibt ein Wermutstropfen bestehen. Während das Metronetz Moskaus seit Jahren kontinuierlich wächst, stagniert der Ausbau der Straßenbahn. Das einzige beschlossene Neubauprojekt ist derzeit eine etwa fünf Kilometer lange Linie von der Metrostation Praschskaja nach Birjuljowo im Süden der Stadt. Zwar finden sich auf den Seiten der Stadt Moskau Ankündigungen für „etwa 55 Kilometer Straßenbahnstrecken bis 2028“, darunter ein ganz neues Netz für Neu-Moskau, doch konkrete Planungen lassen auf sich warten.

Jiří Hönes

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