Minecraft in Russland: Virtuelle Kultur

Minecraft ist in den vergangenen Monaten zum Lieblings-Computerspiel der Russen geworden. Egal ob Universitäten, Theateraufführungen oder Präsidentschaftswahlen – alles wird online nachgestellt. Einige versuchen sogar, so ihr kulturelles Erbe zu bewahren.

Russlanddeutsche Minecraft-Welt (Foto: Jugendclub „Glück auf“)

2009 kam der Schwede Markus Persson auf die Idee, eine Art virtuelles Lego zu kreieren. Mit Bauklötzen erschaffen die Spieler verschiedene Objekte oder ganze Universen. Grenzen setzt einem nur die eigene Fantasie. Schnell wurde Minecraft ein Riesenerfolg.

Als die Welt der meisten Russen während der Selbstisolation auf die eigenen vier Wände zusammenschrumpfte, fanden viele in Minecraft eine andere Realität. Studenten der Higher School of Economics etwa bauten ihre Alma Mater online nach. Damit wollten sie ihre Kommilitonen im digitalen Raum zusammenführen. Fast originalgetreu erschufen sie ein Universitätsgebäude bei Minecraft. Und die Universität unterstützte die Studenten dabei, indem sie ihnen bei den Gebäudemaßen half. Mittlerweile ist die Minecraft-Universität fertig und empfängt Zuhörer zu Online-Vorlesungen. Außerdem ist eine Meme-Galerie geplant.

Tschechow im digitalen Land der Blöcke

Kurz darauf stieg auch das Towstonogow-Theater aus St. Petersburg in die Minecraft-Welt ein. Da das Theater keine Gäste empfangen konnte, suchte man nach ungewöhnlichen Formaten. Eines davon waren die Minecraft-Aufführungen, die mit Anton Tschechows „Der Kirschgarten“ ihre Premiere feierten. Die Hauptrollen werden dabei von quadratischen Männchen gespielt, der Text von Schauspielern eingesprochen. Heraus kommt eine Art Trickfilm, der Tschechow sicher gefallen hätte. Die Zuschauer reagierten unterschiedlich, neben Komplimenten für die originelle Idee gab es auch Kritik an der Verhöhnung der Klassik.

Und auch die Russlanddeutschen haben Gefallen an der Minecraft-Welt gefunden, wie etwa der Jugendclub „Glück auf“ aus der Ural-Metropole Jekaterinburg. Mit dem virtuellen Nachbau russlanddeutscher Gebäude gewannen die Mitglieder den Wettbewerb „Russlanddeutsche in der Avantgarde der Zukunft“, der vom Internationalen Verband der deutschen Kultur initiiert wurde. „Von manchen Gebäuden sind wirklich nur noch Pläne und Fotografien erhalten, und im Spiel kann man sie wieder zum Leben erwecken“, erklärt der Leiter des Jugendclubs Jürgen Stein.

Große Ziele bis zum Ende des Sommers

Mittlerweile hat sich das Projekt zu einer landesweiten Baustelle aus- geweitet. „Wir sammeln momentan Informationen“, erzählt Michail Krasnogorzew, der für den kreativen Part verantwortlich ist. „Wir haben die Mitglieder der Jugendclubs darum gebeten, uns Angaben über historische Objekte zu schicken, die Russlanddeutsche in ihren Städten errichtet haben. Wir planen, zehn herausragende Gebäude auszuwählen, wie die Weisberg-Apotheke in Jekaterinburg oder eine Kirche aus dem 16. Jahrhundert in Kaliningrad“. Bis zum Ende des Sommers wollen die Kinder alles errichtet haben.

Ljubawa Winokurowa

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