Inspiration aus dem Osten: Was Salvador Dalí mit Russland verbindet

25000 Eintrittskarten waren verkauft, bevor es überhaupt losging: In der Moskauer Ausstellungshalle Manege sorgt gegenwärtig die Ausstellung „Salvador Dalí. Magische Kunst“ für Furore. Allerdings hat der extravagante Künstler mit dem charakteristischen Schnurrbart Russland zu Lebzeiten nie besucht. Warum das Land in seinem Werk trotzdem tiefe Spuren hinterlassen hat.

Salvador Dalí träumte von einer triumphalen Reise nach Russland. (Foto: wikipedia.org)

Gala

Ehefrau, Geliebte, Model, Managerin aber auch Köchin: All das war Gala für den exzentrischen Künstler. Dalí lernte seine wesentlich ältere und bereits verheiratete Muse 1929 in Paris kennen – und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Gala, die eigentlich Jelena Dmitrijewna Djakonowa hieß und in Russland geboren war, bewegte sich zu dieser Zeit in französischen Künstlerkreisen. Sie verließ ihren damaligen Mann und ihre einzige Tochter, um fortan mit Dalí zusammenzuleben. In ihrer fast fünfzigjährigen Ehe wurde Gala zur treibenden Kraft hinter dem Maler, die einen großen Einfluss auf seine Kunst entfaltete. Sie förderte und inspirierte ihn, managte seinen Alltag, sprach mit der Presse und verhalf ihm schließlich zum kommerziellen Durchbruch. Dalí malte sie als Göttin, Madonna oder Traumvision. „Diese Frau ist das Salz meines Lebens, das Härtebad meiner Persönlichkeit, mein Leuchtfeuer, meine Doppelgängerin – ICH“, schrieb er in einem Erinnerungsbuch. Gala entsprach Dalís Idealbild einer russischen Frau, von der er schon als Junge träumte. Diese war für ihn elegant, geheimnisvoll, aber auch Ehrfurcht gebietend und stolz.

Russlandreise

Erst wollte er sich ein wenig zieren, sich bitten lassen, dann aber doch großherzig nachgeben und unter aufbrandendem Applaus an Land schreiten, wo schon 80 junge Frauen sehnsüchtig auf ihn warteten. So theatralisch und glanzvoll stellte sich Dalí seine Ankunft in einem russischen Hafen vor, die er im August 1953 ausführlich in seinem Tagebuch beschreibt. Schon in einem Jahr könne er das Geburtsland seiner Frau besuchen, plante der Künstler. Dies sei aufgrund der „letzten politischen Ereignisse“ plötzlich möglich geworden. Mit dieser etwas nebulösen Formulierung bezog sich Dalí offenbar auf den Tod von Sowjetdiktator Josef Stalin fünf Monate zuvor. In den Staat der Arbeiter und Bauern wollte Dalí stilecht und mit allem Komfort an Board der Luxusyacht „La Gaviota IV“ des mit ihm befreundeten Millionärs López-Willshaw reisen. Doch der pompöse Trip in den geheimnisvollen Osten sollte nur eine Fantasie bleiben. Denn Dalí kam auf die Pläne nicht zurück und setzte auch niemals einen Fuß auf russischen Boden.

Lenin

Der Führer der russischen Kommunisten und Begründer der Sowjetunion, Wladimir Lenin, inspirierte Dalí gleich zu mehreren Gemälden. Zum ersten Mal tauchte der Revolutionär in „Partielle Sinnestäuschung. Sechs Erscheinungen Lenins auf einem Flügel“ aus dem Jahr 1931 auf. Dargestellt ist ein Konzertflügel, auf dessen Tasten sechs kleine Leninporträts tanzen, die von einem Glorienschein umflimmert werden. Einige Kritiker erblickten in dem Werk eine prophetische Vorhersage des Zweiten Weltkrieges. Doch Dalís bekannteste Lenin-Arbeit ist „Das Rätsel Wilhelm Tells“, wegen dem es 1934 zu einem handfesten Eklat kam. Das Bild zeigt einen knienden Lenin ohne Hose, mit einem grotesk verlängerten Gesäß und einer riesigen Arbeiterkappe. Frankreichs führender Surrealist André Breton war so empört über die finstere Gestalt, dass er das Werk zerreißen und Dalí aus der linksgerichteten Gruppe ausschließen wollte. Dalí wies die Anschuldigungen zurück. Die Figur stelle seinen Vater dar und bilde sein gestörtes Verhältnis zu ihm ab. Später sollte Lenin noch einmal in der Arbeit „Fünfzig abstrakte Gemälde“ von 1963 auftauchen, in dem Dalí mit dem russischen und chinesischen Kommunismus abrechnete.

Kandinsky

Mit dem berühmten Expressionisten Wassily Kandinsky verband Dalí eine tiefe Abneigung. Der Russe sei überhaupt gar kein Künstler, ätzte der Spanier über einen der maßgeblichen Wegbereiter der abstrakten Malerei. Kandinsky könne höchstens Emailleknäufe für Spazierstöcke herstellen. Für mehr reiche es einfach nicht. Warum sich Dalí so unschmeichelhaft über den berühmten Moskauer Maler äußerte, ist unbekannt. Russische Kritiker vermuten Eifersucht als Motiv. Denn Kandinsky bevorzugte die Werke von Juan Miró, einem anderen führenden Surrealisten, den er 1919 in Paris selbst kennengelernt hatte. Zu Dalí, der Mirós Kunst in den 1930er und 1940er Jahren maßgeblich durch Anregungen prägte, äußerte sich Wassily Kandinsky nicht.

Birger Schütz

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