Lange Zeit waren russische Touristen an allen europäischen Stränden wie an der Adria oder Côte d’Azur anzutreffen. Aber damit war es nach dem Anschluss der Krim an Russland vorbei. Auf die Wirtschaftssanktionen folgten Rezession und die stärkste Rubelabwertung seit den 1990er Jahren. Dies nagte am Urlaubsbudget russischer Touristen.
Seit 2015 gingen die Zahlen laut dem russischen Tourismusindustrieverband (RST) so stark zurück wie zuletzt nur nach der Wirtschaftskrise 1998. Laut der RST-Vorsitzenden Irina Tjurina sank der Auslandstourismus allein 2015 um 31 Prozent. Die Zahl der Anbieter von Auslandsreisen ging gleichzeitig um 70 Prozent zurück, wie die Vereinigung russischer Reiseveranstalter mitteilte. Statt in Rimini, Dubrownik oder Paris erholten sich die Russen in den letzten zwei Jahren lieber auf der Krim, in St. Petersburg und Kaliningrad. Oder auf der eigenen Datscha.
Nun aber gibt es erste Anzeichen für die Rückkehr russischer Touristen ins Ausland. Und dabei gäben sie auch wieder mehr aus, so Tjurina. Nach Angaben der Schweizer Bank UBS erhöhten sich die Ausgaben russischer Touristen im Ausland: im ersten Quartal 2017 um fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dem global führenden Steuerdienstleister Global Blue zufolge stiegen die Ausgaben seit Ende 2016 um 33 bis 46 Prozent monatlich.
Das sei, laut Tjurina, auch damit zu erklären, dass Waren und Dienstleistungen aus Europa dort nicht mehr wesentlich teurer seien als in Russland. „Die letzten zwei Jahre wussten die russischen Staatsbürger nicht, was sie erwartet, sie sparten statt zu verreisen“, erklärt Aleksan Mkrtschjan, Geschäftsführer einer südrussischen Reiseagenturkette. Durchschnittlich gebe der russische Tourist 1000 Euro im Auslandsurlaub aus. Im Vorjahr waren es nur rund 600 Euro – vor Beginn der Finanzkrise 2016 noch ganze 1700 Euro.
Bereits im Jahr 2018 könnte das Vorkrisenniveau erreicht werden, sagt Maja Lomidse, Präsidentin des Verbands russischer Reiseveranstalter. Noch aber sparten russische Touristen im Ausland. „Sie gehen nicht zu Exkursionen, bestellen weniger in Restaurants, kaufen weniger Souvenirs und lassen sich die Mehrwertsteuer erstatten“, so Lomidse.
Die Gründe für die Rückkehr der russischen Touristen ins Ausland lägen „nicht in der Unzufriedenheit mit den russischen Erholungsgebieten“, meint Sergej Romaschkin, Geschäftsführer des Reiseveranstalters Delfin. Vielmehr reisten „nach der Wiedererstarkung des Rubels viele russische Urlauber wieder an ihre Stammziele“, heißt es in einer Pressemitteilung. Das Vorjahr mit 45 Prozent mehr Tourismus in Sotschi und 30 Prozent Plus auf der Krim sei eine „Anomalie“ gewesen. Die Nachfrage werde sich nun normalisieren und auf das Wachstumsniveau von fünf bis zehn Prozent zurückkehren, prognostiziert der Delfin-Sprecher.
Nach Zahlen des Flugbuchungsportals Aviasales.ru ist die Nachfrage nach Europaflügen 2017 schon jetzt um fünf Prozent gestiegen, im Mai gar um 20 Prozent. Und fünf der zehn beliebtesten Reiseziele lagen in Europa: Italien, Tschechien, Deutschland, Spanien und Frankreich. „Das Niveau des Rekordjahres 2013 ist noch nicht erreicht“, sagt Tjurina, „aber der Tourismusmarkt erholt sich.“
Christopher Braemer