In der Moskauer bayerischen „Botschaft“, dem Paulaner Bräuhaus am Olimpijskij Prospekt, da ging es so richtig um die Wurst, aber um eine ganz besondere. Am 22. Februar hatte nämlich die legendäre Münchner Weißwurst ihren Geburtstag, diesjährig bereits den 162. Willkommener Anlass für eine treudeutsch-genießerische, feucht-fröhliche Weißwurst-Party.
Denn Wurst gehört zweifelsfrei zum Kulturgut, zu den essbaren Traditionen aus deutschen Landen. Unter den sagenhaften, weltrekordverdächtigen 1500 verschiedenen Sorten aus allen Landstrichen eben auch diese bayerische Weißwurst-Spezialität. Dass es sie überhaupt gibt, ist der Geschichte nach eher ein Zufall. An besagtem Datum anno 1857 waren dem Wirtsmetzger Joseph Moser, genannt „Moser Sepp“, in seinem Gasthaus „Zum ewigen Licht“ am Münchner Marienplatz die üblichen Saitlinge aus Schafsdärmen ausgegangen.
Und etliche Stammtischler warteten schon auf ihre Kalbsbratwürstchen. In der Not füllte er die bereits fertige Wurstmasse in Schweinedärme. Diese Würste briet er aber lieber nicht, da er fürchtete, die zu zähen Schweinedärme könnten beim Braten platzen. Deshalb brühte er sie in heißem Wasser – die Geburtsstunde der Münchner Weißwurst hatte geschlagen.
Brezn und Bier gehören unbedingt dazu
Am Geburtsort wird die Wurstleckerei am Morgen frisch zubereitet und nur bis Mittag serviert, gern zum Frühschoppen. Echte Liebhaber lösen ein Wurstende und saugen das feinst haschierte, heiß gebrühte Wurstfleisch genießerisch heraus. Anderswo werden Weißwürste auch ganztägig paarweise serviert. Die feine Wurstpelle wird gewöhnlich der Länge nach aufgeritzt, das Wurstfleisch ausgewälzt und in kleinen Häppchen mit einem kräftigen Tupfer süßem Senf verzehrt. Ab und an ebenso genüsslich unterbrochen durch einen kräftigen Biss in die unbedingt zugehörige, ofenwarme Brezn, einer Art knuspriger Weißbrotkringel, aus der heimisch-bayerischen Küche.
Zum Vesper-Hochgenuss fehlt dann nur noch ein ebenso typisch bayerisch-deutsches Getränk – natürlich ein süffiges Bier. Im hiesigen Paulaner Bräuhaus haben sich Braumeister Rafael Czapla und der rührige Wirt Uwe Lindner, beide so deutsch wie die stilechte Umgebung von treudeutscher Gast- und Gemütlichkeit, eine ganz besondere Variante einfallen lassen: ein dunkles, prickelndes Weißbier mit einem fruchtigen Geschmackston von Beeren. Davon solls a Maß, ein Liter im klassischen Steinkrug, oder zumindest „a Halbe“, mitten im Lokal in riesigen, glänzend polierten Kupferkesseln gereift, schon gut und gerne sein.
Tags zuvor war der Internationale Tag der Muttersprache: Unter dem Motto „Tolles Diktat – alles richtig, immer wichtig“ waren im Deutsch-Russischen Haus unter der Schirmherrschaft des Internationalen Verbands der Deutschen Kultur (IVDK) und der„Moskauer Deutschen Zeitung“ Jung und Alt aus vielen Teilen Russlands zu deutschen Rechtschreibübungen angetreten. Nach getaner Hirn- und Schreibarbeit waren Weißwurst, Brezn und Bier zur Entspannung im Paulaner doch wichtiger. Und die Russlanddeutschen hatten inmitten der über 400 anderen Gäste ihren Gaudi beim Wettsägen von Baumstämmen und bei anderen Belustigungen. Nach dem abendlichen Fassanstich ging die Sause bis in die tiefe Nacht sozusagen nahtlos in den nächsten hohen Feiertag über – den russischen „Tag der Vaterlandsverteidigers“, dem Männertag.
Frank Ebbecke