Museumsführerin Maria Timina fragt, ob man ihre Stimme gut hören könne. Die Verbindung sei manchmal etwas instabil. Erstmal ist alles gut. Wir sind bei der Museumstour „Meisterwerke des Impressionismus und Postimpressionismus in der Sammlung des Puschkin-Museums“, doch ich sitze an meinem Küchentisch vor dem Laptop.
Ein gutes Dutzend Gäste hat sich am Samstagnachmittag beim Onlinedienst Zoom eingefunden, um am virtuellen Rundgang teilzunehmen. Maria zeigt uns Aufnahmen von Räumen im Museum, unten ist ein Gebäudeplan eingeblendet. Als sie gerade beginnt, Edgar Degas’ „Tänzerinnen in Blau“ vorzustellen, verwandelt sich ihr gepflegtes Englisch in ein metallisches Klirren. Im parallelen Chat gehen Nachrichten ein wie: „Ton ist weg.“
Die Katze will auch mitmachen
Wir kennen solche Situationen aus Videokonferenzen. Kurz danach ist Maria wieder da. Sie lässt sich kein Bisschen aus der Ruhe bringen. Weiter geht es durch die Sammlung, noch zwei, drei Mal gibt es Probleme, doch dann läuft alles stabil. Wir folgen ihr und betrachten Pierre-Auguste Renoirs lebensfrohes Porträt der Schauspielerin Jeanne Samary oder Camille Pissarros „Avenue de l’Opera in Paris“. Das Bild zeigt den Blick aus einem Pariser Fenster. Wie vor meinem Fenster in Moskau trüben wässrige Schneeflocken die Sicht. Doch auf Pissarros Straße herrscht reges Treiben, hier dagegen bewegt sich nichts.
Eine leicht gequälte Stimme ist zu hören. „Sorry, das war meine Katze. Sie will auch mitmachen“, scherzt Maria. Der kuriose Moment zeigt, wie improvisiert alles ist. Wie die Gäste sitzt auch die Führerin zuhause in ihrer Wohnung.
Videovortrag statt Führung
Mit solchen Online-Touren folgte das Puschkin-Museum einem Aufruf von Kulturministerin Olga Ljubimowa Mitte März. Damals war gerade verfügt worden, Museen und Theater wegen der Coronakrise zu schließen. Die vorgeschriebenen Einschränkungen dürften nicht so verstanden werden, so die Ministerin, dass sämtlicher Kulturbetrieb eingestellt werden müsse. „Viele Kultureinrichtungen haben ausgezeichnete Erfahrungen in der interaktiven Kommunikation mit ihrem Publikum: virtuelle Rundgänge, Aufzeichnungen von Aufführungen, Konzerten und Vorträgen sind sehr gefragt“, so die Politikerin. Es gelte nun jedoch, die Online-Angebote auszuweiten, insbesondere Bildungsangebote.
Von der Schließung war auch das Jugendangebot „Ich zeig’ dir das Museum“ betroffen. Dabei übernehmen Studenten Führungen durch das Puschkin-Museum. Sonja Garagulja, die eine Führung zur flandrischen Kunst des 17. Jahrhunderts vorbereitet hatte, nahm es mit Humor. Ihre Führung dreht sich um die Esskultur in der Malerei mit ihren Stillleben und Tafelszenen. Anstelle einer Tour drehte sie eine Serie Videos am heimischen Küchentisch. „Im Museum hätten man mit Sicherheit während der Tour nichts essen können. Hier aber kann man nicht nur essen, sondern auch kochen.“ Und so referiert die Studentin nicht nur über die Kunst, sondern kocht und backt auch gleich nach zeittypischen Rezepten.
Ausstellungseröffnung im Fernsehen
In einem anderen Fall kooperiert das Museum nun auch mit dem Fernsehen. Für Ende März war eigentlich die Eröffnung der Ausstellung „Von Dürer bis Matisse. Ausgewählte Zeichnungen aus der Sammlung des Puschkin-Museums“ geplant. Doch anstatt die Ausstellung zu verschieben, wurde die Eröffnung live im Fernsehen übertragen. Der Sender „Rossija Kultura“ rief das Programm „Offenes Museum“ ins Leben, um Ausstellungen, die wegen der aktuellen Situation nicht eröffnet werden können, trotzdem dem Publikum zugänglich zu machen.
Wenngleich die Schließungen finanzielle Löcher ins Budget der Museen reißen, die sich online nicht wieder füllen lassen – im Herzen des Publikums haben die Macher mit diesen Angeboten etwas gut.
Jiří Hönes