Den Berg hinabgleiten
Mulmig ist mir ja schon. Gut 700 Meter vor mir liegt das Luschniki-Fußballstadion, in 50 Metern Tiefe jenseits der Moskwa. Doch für Panik ist keine Zeit. Die Mitarbeiter legen mir die Seile zur Sicherung an, geben Anweisungen für den „Flug“, den ich gleich antreten werde.
Ich stehe auf der Startplattform des neuen „Skyparks“ auf den Sperlingsbergen, direkt neben dem berühmten Aussichtspunkt. „Zipline“ nennt sich die Attraktion, die hier seit Anfang August wagemutige Besucher empfängt. In 25 Sekunden trägt einen die Seilrutsche hinunter ins Tal, über 50 Stundenkilometer schnell.
„Vier, drei, zwei, Abflug!“ Ein sanfter Schubser und los geht es, zunächst gemächlich durch die Waldschneise und schon bald gleite ich immer schneller über die Baumwipfel hinweg, lasse den Steilhang hinter mir und finde mich plötzlich in luftiger Höhe über der Moskwa wieder. Für einen Moment ist es wirklich wie Fliegen. Unter mir fährt gemächlich ein Ausflugsschiff den Fluss entlang, rechts schweben die Gondeln der benachbarten Seilbahn auf und ab. Und schon folgt die Landung auf dem Dach der Seilbahnstation. Als ich beim Bremsen in den Seilen hänge, wird mir erst so richtig bewusst, welches Tempo ich draufhatte.
Der Flugspaß ist nur der Anfang eines Projekts, das der neuseeländische Konzern AJ Hackett International gemeinsam mit der russischen Firma Skypark hier auf den Sperlingsbergen errichtet. Dessen Gründer Alan John Hackett war es, der das Bungee-Jumping in den 1980er-Jahren populär gemacht hat. Sein Freund und langjähriger Geschäftspartner Graham Whorskey ist für die Entwicklung des Parks verantwortlich.
In Sotschi hat er bereits einen solchen aufgebaut „Wir planen hier einen über 150 Meter langen Steg. Von dort wird man Bungee-Sprünge machen können, zudem wird es eine Himmelsschaukel geben. Das ist ein herrlicher Ort für so einen Park“, schwärmt der Neuseeländer. Auch ein Café und einen Hochseilgarten soll es geben. Seit Monaten ist er hier beschäftigt, die Corona-Pandemie hat die Bauarbeiten verzögert und den Eröffnungstermin verschoben. „Ich hatte die Seile schon gespannt, aber das Gebäude war noch nicht fertig“, sagt Graham schmunzelnd.
Doch jetzt steht die Zipline. Ein Flug hinab von den Sperlingsbergen kostet für Erwachsene 2000 Rubel (ca. 23 Euro), Kinder ab zehn Jahren dürfen in Begleitung von Erziehungsberechtigten ebenfalls starten, der Preis liegt bei 1500 Rubel (ca. 17 Euro). Aus Sicherheitsgründen dürfen jedoch Personen unter 40 und über 110 Kilogramm nicht mitfahren.
Kajakfahren
Vor rund 80 Jahren wurden auf der Insel Serebrjanyj Bor Datschen an sowjetische Parteifunktionäre verteilt. Heute kosten diese Millionen Rubel, weil sie nur eine halbe Stunde vom Roten Platz entfernt sind und dennoch inmitten eines Naturdenkmals liegen.
Die Insel in der Moskwa entstand 1937 durch den Bau des Choroschewski-Schifffahrtskanals. Neben Datschen gibt es hier auch herrliche Strände und die Möglichkeit, Kajak zu fahren.
Die Suche nach Kajaktouren funktioniert am besten über soziale Netzwerke. Ich habe den Anbieter „akulov_vsplave“ ausgesucht, den ich zufällig auf Instagram gefunden habe. Die Organisatoren dieser Touren sind die Brüder Akulov, die selbst seit 15 Jahren begeisterte Kajakfahrer sind und in diesem Jahr beschlossen haben, auch Touren zu anzubieten.
Sie bieten in der Regel fünf verschiedene Zeiten für ihre Touren an: in der Morgendämmerung um 4 Uhr, abends zum Sonnenuntergang um 21 Uhr, für eine Portion Nervenkitzel nachts um 1 Uhr und zwei ganz normale Nachmittagstermine. Zum Einstieg bietet sich letzterer an.
Was die Kleidung angeht: Ziehen Sie an, was Sie wollen, aber bringen Sie eine Garnitur trockene Sachen mit. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass man mit dem Kajak umkippt, aber wie meine Erfahrung zeigt, wird man durch Spritzwasser ganz nass. Wie sich nach fünf Minuten im Kajak herausstellte, ist das Paddeln nicht so einfach. Erstens sind die Arme und Schultern ständig angespannt, sie müssen die ganze Zeit hart arbeiten. Zweitens muss man die Richtung ständig kontrollieren, darauf achten, dass das Boot nicht in die Mitte des Flusses getragen wird. Denn dort sind schnelle Motorboote unterwegs! Doch irgendwann kommt man in den Rhythmus. Ein richtiger Rausch und Drive ist das! Auf unserer zwölf Kilometer langen Route kommen wir an zwei Highlights vorbei. Das eine ist eine malerische Brücke mit einer Kapsel, die einer riesigen Discokugel ähnelt, das andere der Besdonnoje Osero, der „Bodenlose See“, mit seinen Lilien.
Alle Moskauer wissen, dass das Wasser im Fluss Moskau schrecklich dreckig ist und nur Mutantenfische darin überleben können. Aber überraschenderweise ist das Wasser am Serebrjanyj Bor sauber und klar, so dass jedes Sandkorn zu sehen ist.
Auf dem Rückweg muss man Vorsicht walten lassen, denn unter den Bewohnern der Unterwasserwelt sind bisweilen nackte Frauen und Männer. Am Serebrjanyj Bor befindet sich nämlich der größte FKK-Strand der Hauptstadt, und der Weg vom Besdonnoje Osero zum Kajak-Parkplatz führt nur an diesem Strand vorbei. Dessen Besucher sind aber nicht prüde und an Bootsleute sind sie gewöhnt. Stellen Sie sich also einfach vor, Sie gleiten auf Ihrem Kajak durchs biblische Paradies oder den Amazonas.
Raus ins Grüne reiten
Auch Pferdeliebhaber kommen in Moskau auf ihre Kosten. Zahlreiche Reitställe bieten die Möglichkeit, sich ein Pferd zu leihen und eine Tour in die Umgebung zu machen. Der Pferdesportverein „Kolibri“ im Dorf Jasowo in Neu-Moskau bietet zum Beispiel solche Touren an.
Eine gewisse Erfahrung sollte man dabei allerdings mitbringen. Für 3000 Rubel (ca. 34 Euro) kann man zwei Stunden lang durch die Felder schweifen. Dabei geht es auch mal durch einen Fluss oder durch kleine Dörfer. Durch die Eingemeindungen nach Neu-Moskau hat die Hauptstadt richtig ländliche Gegenden zu bieten.
Wem das nicht reicht, der kann auf dem Pferdehof „Kolibri“ im Anschluss auch noch eine Fotosession mit Pferden buchen.
Ljubawa Winokurowa und Jiří Hönes