Per App auf deutsche Spurensuche

In vielen russischen Städten kann man Gebäude finden, die einst von Deutschen erbaut wurden. Herrenhäuser, Fabriken und auch Kirchen sind Zeugen deutschen Lebens in Russland. Mit der App „Deutsche Spuren“ des Goethe-Instituts kann man diese jetzt entdecken.

Der Große Kremlpalast ist eine der deutschen Spuren. (Foto: Wikicommons)

Über Jahrhunderte zog es immer wieder Deutsche gen Osten nach Russland. In der neuen Heimat hinterließen sie ihre Spuren in der Kultur und auch Architektur. Einige davon sind bekannt, wie etwa die ehemalige deutsche Vorstadt östlich des Moskauer Stadtzentrums. Dass aber der Große Kremlpalast, die (originale) Christ-Erlöser-Kathedrale oder das erste Moskauer Hochhaus von deutschstämmigen Architekten gebaut wurden, dürfte bislang nur Insidern bekannt sein. Mehr über diese und andere Orte kann ab sofort jeder mit der App „Deutsche Spuren“ erfahren, die das Goethe-Institut Moskau Anfang Oktober im Rahmen des Deutschlandjahres vorstellte.

Die Idee, sich auf die Suche nach dem deutschen Erbe zu begeben, ist nicht neu. Bereits 2011 wurde mit der Arbeit an der App begonnen. Zwei Jahre später folgte schließlich der Start in Brasilien, der Slowakei und Israel. Russland ist das elfte Land, in dem die App an den Start geht. Und das mit 80 Spuren in Moskau, Samara und Omsk. Und schon bald werden weitere in Perm, Tomsk und Tjumen folgen.

Intensive Zusammenarbeit mit dem IVDK

Ein Blick in die App zeigt, dass die Spuren häufig aus historischen Gebäuden bestehen, die durch ihre Architektur herausragen. Für den Anfang habe man sich auf sichtbare Orte konzentriert, die auch vor Ort bekannt seien, erklärt die Leiterin der Sprachabteilung des Goethe-Instituts Ulrike Würz die Auswahl. Es gehe zunächst darum Orte zu zeigen, die einfach festzuhalten und zu beschreiben seien, ergänzt ihre Kollegin Maria Lukjantschikowa, Beauftragte für Sprachkooperationen und Förderung der russlanddeutschen Minderheit. Trotz vieler bekannter Gebäude wartet die App auch mit einigen überraschenden Orten auf.

Wie etwa einem ehemaligen Polizeikrankenhaus, in dessen Hof seit über 100 Jahren ein Denkmal für den berühmten Arzt und Philantropen Friedrich Joseph Haass steht. Haass kam als junger Mann nach Moskau, wo er Karriere machte und sich für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wie etwa Häftlinge, einsetzte und zeitlebens bescheiden blieb. Auf den ersten Blick würde man kaum erwarten, dass in solch einem schlichten Gebäude ein wichtiges Stück Geschichte steckt, meint Lukjantschikowa. Die Bedeutung des Ortes erfährt der Nutzer im ausführlichen Begleittext, der erklärt, wie dieses Krankenhaus für Häftlinge entstand. Menschen wie Haass haben etwas geleistet, das bis heute nachwirkt und haben dennoch auf prunkvolle Paläste verzichtet, zeigt sich Lukjantschikowa vom Werk des Arztes beeindruckt.

Ausgewählt wurden die Orte nicht vom Goethe-Institut selbst, sondern in Zusammenarbeit mit den Minderheiteninstitutionen. So stammen die Texte vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK). Für das Goethe-Institut ein Glücksfall. Schließlich seien die Russlanddeutschen wissenschaftlich sehr gut aufgestellt. Und es gebe Historiker-Vereinigungen, die bereits länger sehr intensiv auf dem Gebiet deutscher Spuren forschen. So konnte das Goethe-Institut auf das Wissen und die Kompetenz des IVDK zurückgreifen, lobt Lukjantschikowa die Zusammenarbeit der beiden Institutionen.

App ist ein Open-End-Projekt

In Zukunft sollen die „Deutschen Spuren“ weiter wachsen. Neben historischen Orten ist es den Macherinnen der App wichtig, auch die Gegenwart zu zeigen. In anderen Ländern erhalten die Nutzer der App auch Informationen über deutsche Unternehmen oder deutsche Restaurants. Auch für Russland sei dies „sehr wertvoll“, ist Lukjantschikowa überzeugt. Eine Anfrage gab es bereits von Siemens, dass mit der App über seine Repräsentanz und Geschichte in Russland informieren möchte. Lukjantschikowa freut sich über weitere Interessenten, verstehen sich die „Deutschen Spuren“ doch als ein Open-End-Projekt. Und als Brückenbauer, wie Würz betont. Schließlich lernen Deutsche und Russen mehr übereinander.

Wenn nach dem Ende der Corona-Pandemie wieder Ausländer nach Russland dürfen, könnte sich die App zu einem Geheimtipp entwickeln. Bietet sie doch Informationen, die in keinem Reiseführer zu finden sind. Erste Anfragen gab es bereits.

Daniel Säwert

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