Michail Wrubel: Ein Künstler und seine Dämonen

Publikumsschlager in der Neuen Tretjakow-Galerie: Bis 8. März werden die Werke des Modernisten Michail Wrubel gezeigt. Diese ziehen bis heute die Massen in ihren Bann.

Michail Wrubels "Dämon" ist bei der Ausstellung "Michail Wrubel" in der Neuen Tretjakow-Galerie zu sehen.
Wrubels erster „Dämon“ ist nur ein Highlight der Ausstellung. (Andrej Nikeritschjew/ AGN Moskwa)

Die Worte, die Schriftsteller Maxim Gorkij für die Kunst seines Zeitgenossen Michail Wrubel fand, klingen heute fast unglaublich. Von einem „niederen Geist und ärmlicher Vorstellungskraft“ sprach er im Jahr 1896. 125 Jahre später ist „Michail Wrubel“ in der Neuen Tretjakow-Galerie ein absoluter Publikumshit, Karten sind nur lange im Voraus zu erhalten.

Wrubels literarische Motive

Das liegt vielleicht auch an Wrubels bemerkenswerter Bandbreite. Ähnlich der Arts-and-Crafts-Bewegung des Engländers William Morris beschränkte er sich nämlich nicht nur auf die Malerei, sondern schuf dekorative Kunstgegenstände. So zeigt die Ausstellung etwa Aquarelltafeln mit Motiven aus dem „Faust“, einen Kachelofen, den Szenen aus dem russischen Volksepos „Wolga und Mikula“ zieren, oder mehrere von Nikolaj Rimskij-Korsakows Oper „Sadko“ inspirierte Majolika-Figuren. Wie auch Morris griff der 1856 in Omsk geborene Künstler häufig Themen aus literarischen Texten auf, seien es Gedichte, Epen oder Märchen.

Besonders fasziniert war Wrubel von Michail Lermontows Poem „Der Dämon“ über einen Geist, der zwischen Diesseits und Jenseits in der Schwebe hängt. Der verliebt sich in die junge Tamara und schafft es schließlich auch, sie zu verführen. Doch als es zum Kuss kommt, stirbt Tamara in den Armen des unglücklichen Dämons. Der Text inspiriert seit jeher andere Kunstwerke, wie etwa Anton Rubinsteins Opern-Adaption von 1871.

Vom „Dämon“ vereinnahmt

Wrubel nahm sich des Themas gleich mehrmals an, wie in der Ausstellung erklärt wird. Eine erste Adaption zerstörte er, bevor er 1890 mit dem „Dämon“ ein Werk schuf, das durch seine kristalline Darstellungsform wirkt, als käme es aus einer anderen Welt. Neun Jahre später kehrte Wrubel im „fliegenden Dämon“ zu seinem Lieblingsmotiv zurück.

Bald darauf machten sich die ersten Symptome einer einsetzenden Krankheit bemerkbar. Während sich auch sein psychischer Zustand verschlechterte, stellte der Künstler noch 1902 seinen dritten, „gefallenen Dämon“ fertig. Auf der in die Breite gezogenen Leinwand erstreckt sich der dunkeläugige Held in gebrochener Pose. Die verrenkte Körperhaltung erinnert an die Gemälde Egon Schieles, während einen die dekorativ um den Geist drapierten Pfauenflügel an Gustav Klimt denken lassen.

Würdigung in der Neuen Tretjakow-Galerie

Wrubel war von der mystischen Aura des Gemäldes besessen. Noch während der „gefallene Dämon“ erstmals ausgestellt wurde, kam er regelmäßig in die Galerie, um Änderungen an dem Gemälde vorzunehmen und Ausdruck und Pose der Figur zu optimieren. Kurz darauf wurde der Künstler in eine Klinik eingewiesen und mit Syphilis diagnostiziert. In den letzten Jahren seines Lebens folgten noch mehrere Krankenhausaufenthalte, die Wrubel aber nicht vom Malen abhielten.

Die große Retrospektive in der Neuen Tretjakow-Galerie setzt Wrubels Dämonen, wie auch dem Rest seines Gesamtwerkes, ein verdientes Denkmal. Denn mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod hypnotisieren die zahlreichen Meisterwerke, die in der Ausstellung gebündelt sind, den Besucher kein Stück weniger als den Künstler selbst.

Antonina Tschjertasch

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