Hafen der fünf Meere

Im 16. Jahrhundert wurde Moskau das „Dritte Rom“ und die „Stadt auf sieben Hügeln“ genannt. Im 20. Jahrhundert wurde es zum „Hafen der fünf Meere“. Und obwohl es immer noch Hügel gibt, kann man die Meere von Moskau aus nicht sehen. Warum ist Moskau ein „Seehafen“ und ist es überhaupt möglich, mit einem Schiff von der Hauptstadt zum Meer zu gelangen?

Der Hauptflussbahnhof in Moskau: Fluss-Nordbahnhof (Foto: Sergej Wedjaschkin/AGN Moskwa)

Man glaubt, dass es Josef Stalin war, der sagte, Moskau sei ein Hafen der fünf Meere.  Das war bei der Eröffnung des Moskau-Wolga-Kanals, der diese beiden Flüsse verbindet, im Juli 1937. Er meinte damit das Asowsche Meer, das Schwarze Meer, das Kaspische Meer, die Ostsee und das Weiße Meer. Damals war es jedoch noch nicht möglich, von Moskau aus mit einem Schiff zu den ersten beiden Meeren zu fahren. In den 1940er Jahren wurde der große Aufbau des Kommunismus durch den Zweiten Weltkrieg behindert. Und erst 1952, als der Wolga-Don-Kanal in Stalingrad eröffnet wurde, wurde diese Metapher theoretisch realisierbar. Zu diesem Zeitpunkt war der Moskau-Wolga-Kanal bereits in Moskaukanal umbenannt worden.

Von Moskau zu den Meeren: nach Norden und Nordwesten

Heute kann man von der russischen Hauptstadt aus bequem zu allen Meeren reisen. Der Beginn der mehrtägigen Reise ist immer derselbe – entlang des Moskaukanals bis zum Rybinsker Stausee an der Wolga. Und weiter entweder nach Norden – zur Ostsee und zum Weißen Meer. Oder nach Süden.

Von Moskau aus zu den fünf Meeren (Karte: Wodohod, MDZ)

Das Weiße Meer ist das einzige der fünf Meere, zu dem es von Moskau aus Direktfahrten gibt. Die Touristen werden von den Solowezki-Inseln angezogen. Dort befindet sich das größte Kloster im russischen Norden. Im Jahr 1992 wurde der gesamte historische und kulturelle Komplex der Solowezki-Inseln in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Zu den beliebtesten Routen gehört traditionell die Flusskreuzfahrt von Moskau nach St. Petersburg. In 7-8 Tagen mit täglichen Stopps an historischen Orten erreicht man die nördliche Hauptstadt Russlands. Es gibt auch Touren mit einem Besuch in Wyborg. Nach dem Winterkrieg mit Finnland 1940 kam die Stadt zur Sowjet­union. Wyborg und St. Petersburg liegen am Finnischen Meerbusen. Das bedeutet, dass man fast an der Ostsee ist.

Nach Süden

Es dauert mehr als eine Woche, um von Moskau nach Astrachan zu fahren, oder sogar zwei Wochen. Die Route entlang der Wolga führt unter anderem durch die Städte Nischni Nowgorod, Kasan, Samara, Saratow und Wolgograd. Astrachan liegt direkt im Delta der Wolga. Durch den Wolga-Kaspischen Kanal erreichen Seeschiffe aus dem Kaspischen Meer den Hafen von Astrachan. Dieser Kanal wurde bereits 1874 gebaut.

Ein Kreuzfahrtschiff braucht mindestens zwei Wochen für die Fahrt von Moskau nach Rostow am Don. Der Hauptteil der Reise führt durch die gleichen Städte wie die Fahrt von Moskau nach Astrachan. In Wolgograd muss das Schiff jedoch abbiegen – in den Wolga-Don-Kanal. Dann fährt es den Don entlang nach Rostow. Die Stadt liegt 46 Kilometer vor der Mündung des Don in das Asowsche Meer. Und dieses Meer ist durch die Bucht von Kertsch mit dem Schwarzen Meer verbunden.

Reise um die Welt

Von Moskau aus kann man auch eine Weltreise machen. Aber nicht über Meere und Ozeane. „Moskauer Kreuzfahrt rund um die Welt“ heißt die Route, für die Touren verkauft werden. Sie gilt als die weltweit einzige touristische Fluss­rundfahrt mit einem Kreuzfahrtschiff. Während der mehr als 1800 Kilometer langen Reise wird kein Flussabschnitt zweimal befahren. Die 9- bis 15-tägige Reise beginnt am Moskauer Fluss-Nordbahnhof und endet am Fluss-Südbahnhof. Ein Kreuzfahrtschiff befährt den Moskaukanal, die obere Wolga, die Oka und die Moskwa. Der Weg führt durch so schöne alte Städte wie Kolomna, Rjasan, Nischni Nowgorod, Kostroma. Deshalb wird er auch der Goldene Flussring genannt.

Da die Flüsse jedoch flacher geworden sind, können moderne mehrstöckige Kreuzfahrtschiffe diese Stellen nicht mehr passieren. Die Strecke wird von doppelstöckigen Schiffen befahren, die in den Jahren 1959-1967 im Auftrag der UdSSR in Ungarn gebaut wurden. Sie sind alle modernisiert worden.

Der Fluss-Nordbahnhof ist ein beliebter Ort für Spaziergänge für Tausende von Moskauern, die im Norden der Hauptstadt leben (Foto: Olga Silantjewa)

Von Moskau bis zum Ural

Insgesamt können fast 40 russische Städte über touristische Routen vom Moskauer Fluss-Nordbahnhof erreicht werden, dessen Restaurierung 2020 abgeschlossen wurde. Darunter befinden sich nicht nur Städte in der Wolgaregion, im Nordwesten Russlands, sondern auch im Ural, wie Perm und Jekaterinburg. Der Fluss-Südbahnhof wurde im Jahr 2023 renoviert. Nach einer langen Pause werden hier wieder Kreuzfahrtschiffe abgefertigt. Von hier aus kann man etwa 30 Städte erreichen.

Darunter sind auch die Städte gemeint, in die man für einen Wochenendtrip fahren kann. Solche Reisen sind traditionell sehr gefragt. Sie sind relativ preisgünstig. Man geht am Freitag an Bord eines Kreuzfahrtschiffs. Am Samstag ist man schon in Twer, Myschkin oder Uglitsch. Und am Sonntagabend ist man wieder in Moskau.

Der Flusstourismus in Russland

Der Flusstourismus (wie auch andere Bereiche des Inlandstourismus) boomt derzeit. Vor der Pandemie machten ausländische Touristen bis zu 37 Prozent aller Reisenden auf russischen Flüssen aus. Fast alle von ihnen kamen aus vier europäischen Ländern – Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Seit 2020 gibt es aus offensichtlichen Gründen nur noch wenige Ausländer. Doch die Russen stürzten sich aktiv auf das Reisen. Es wurden ihnen Kreuzfahrtschiffe angeboten, die früher für die Ausländer gebucht wurden, also mit einem höheren Komfortniveau. Auf dem Markt für Flusskreuzfahrten gibt es mehrere Anbieter, sodass die Konkurrenz groß ist. In den letzten Jahren nahm der Verkauf von Reisen trotz ständig steigender Preise zu. Die Zahl der Angebote wächst.

Die Entwicklung des Tourismus wird durch den unbefriedigenden Zustand vieler Kreuzfahrtschiffe gebremst. Die meisten von ihnen wurden noch in den Jahren der Sowjetunion gebaut. Es gibt nur wenige neue Schiffe. Die Anlegestellen in einer Reihe von Städten sind veraltet – in den 1990er und 2000er Jahren waren sie meist ungenutzt. Nach und nach werden sie restauriert. So wurde beispielsweise am 1. Mai der Flussbahnhof in Perm, der 2004 wegen mangelnder Nutzung geschlossen worden war, nach seiner Restaurierung wieder eröffnet.

Olga Silantjewa

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