Formen fühlen: Wenn Architektur auf Tanz trifft

Was hat das Bauhaus mit Street Dance gemeinsam? Reizende Schlichtheit der Formen, wie das neue deutsch-russische Tanzprojekt „Vom Bauhaus zum Spielhaus“ zeigt. Unter diesem Motto ließen die Performer, die Ideen der bedeutenden Architektur- und Kunstrichtung aufleben.

Der bekannte deutsche Hip-Hop-Künstler Storm und die Moskauer Tanzkompagnie „Russian FarFor_YO“ mit Banzay entwickelten die Choreografie „Vom Bauhaus zum Spielhaus“. /Foto: Katja Knjasewa.

Sechzehn Quadrate mit glänzenden Umrissen, so sieht die Szene im Saal-Konstruktor des Kulturzentrums SIL aus. Sechs Tänzer stehen entlang seines Umfanges, sie tragen weiße T-Shirts mit geometrischen Figuren. Zuerst drückt ein Tänzer mit dem Fuß auf einen der Quadrate. Es erklingt ein Alarm. Im nächsten Moment fangen die Tänzer an, sich im Rhythmus der Beats mit geometrisch-eckigen Bewegungen über das Feld zu bewegen.

„Ich nahm meine Bewegungen schon immer wie geometrische Formen wahr. Und als mir das Projekt vom Goethe-Institut vorgeschlagen wurde, dachte ich: Deutschland, Bauhaus, Konstruktivismus – das ist alles so nah. Da habe ich Bauhaus als einen Ausgangspunkt vorgeschlagen“, erklärt der russische Tänzer und Choreograf Andrej Kowalenko alias Banzay, der Moskauer Tanzkompagnie „Russian FarFor_YO“ gegründet hat. „Außerdem hatte die Bauhaus-Schule ein eigenes Ballett, das sehr originell aussah.“ Das Projekt „Vom Bauhaus zum Spielhaus“ entwickelte er mit dem berühmten deutschen Hip-Hop-Künstler Niels Robitzky alias Storm. Dieser zeigte sich von Banzays Idee sofort begeistert. „Ich bin es nicht gewohnt, von einem Hip-Hopper solch einen Denkanstoß zu bekommen“, sagt Storm, der zu den Pionieren der Hip-Hop-Kultur in Europa zählt. „Ich werde gewöhnlich gebucht, um Sachen zu unterrichten, die in den meisten Fällen trivial sind.“

Und so kam es, dass die beiden Künstler zuerst an einem Workshop gefeilt haben, später an einem Stück. Daraus ist mehr als nur eine Tanzperformance gewachsen. Die Choreografen behaupten sogar, ein neuer Tanzstil sei entstanden – Gaudging, das mit Kontaktimprovisation eng verbunden ist.

Soziale Form des Tanzes

Tanz hat viel mit Körperkontakt zu tun, meint Storm. „Insofern finde ich an diesem Projekt sehr gut, dass der soziale Aspekt wieder gefördert wird.“ In den letzten 20 bis 30 Jahren tanzen die Menschen in den Clubs, ohne sich dabei zu berühren, wie das normalerweise bei Salsa oder Tango der Fall ist. „Für mich ist es deswegen ein schöner Anspruch, sagen zu können, dass man sich wieder berührt. Das ist ein bisschen prickelnder, als wenn man sich nur gegenseitig anguckt und versucht, die Bewegungen des anderen nachzumachen“, sagt Storm.

Der Tanz folgt den Regeln des Bauhaus: funktional, innovativ und schön. /Foto: Katja Knjasewa.

Eine Szene aus der Performance erinnert tatsächlich an eine Disko. Eine andere symbolisiert die Zeit, zumindest bewegen sich die Hände der Tänzer wie Uhrzeiger. Danach versuchen die Tänzer durch das leuchtende Feld zu gehen und versinken dabei wie im Moor. Ein schneller Wechsel von unterschiedlichen Szenen, Bewegungen und Musikstücken prägen die 40-minütige Performance, sodass die Zeit wie im Flug vergeht und das begeisterte Publikum nur zögerlich den Saal verlässt.

Das nächste Ziel des Projektes ist, dass die Zuschauer aktiv mitmachen. Deswegen nennen Storm und Banzay ihre Choreografie „Tanz für die Massen“. „Es besteht aus Formen, die wir jeden Tag sehen. Ab einem bestimmten Punkt denken die Zuschauer: Das kann ich ja auch. Eine Ecke machen, einen Horizont mit den Händen bilden. Es geht vor allem darum, die Formen zu fühlen“, so Storm.
Um das zu ermöglichen, sei eine Reihe von Workshops geplant. Die Autoren hoffen darauf, dass ihre Performance auch auf Tour geht, da im nächsten Jahr das Bauhaus sein 100-jähriges Jubiläum begeht. Allerdings wird es nicht das gleiche Stück sein, das in Moskau aufgeführt wurde, die Performance wird weiterentwickelt: denn die Magie der geometrischen Formen hat keine Grenzen.

Katharina Lindt 

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