Donnerstag, 5:50 Uhr, Busbahnhof Süd in Kaliningrad. Zehn Passagiere im Halbschlaf sitzen auf Metallstühlen und warten auf den Bus nach Danzig. Kein Mensch hier außer ihnen und der ebenso verschlafenen Wache. Die Kassen sind noch geschlossen, ebenso der einzige Kiosk, an dem es nichts außer Limonade und verdächtigen Schokoriegeln zu kaufen gibt. Der Bus kommt um genau 6 Uhr an. Dass es sich um einen Flixbus handelt, lässt sich nur an einem kleinen Schild in der Windschutzscheibe erkennen: „In Zusammenarbeit mit Flixbus“. Nicht die gewohnten Farben Grün und Orange, keine großen Buchstaben mit dem Firmennamen. Flixbus hat hier einen Vertrag mit der russischen Busgesellschaft Selenogradsk-Trans, welche die Busse und das Personal stellt. Flixbus verkauft nur die Tickets.
Kaliningrad mangelt es nicht an internationalen Verkehrsverbindungen. Von der europäischsten Stadt Russlands kann man einfach und günstig nach Deutschland, Lettland, Litauen und Polen reisen. Warum hat sich Flixbus entschieden, eine Verbindung hierher anzubieten? Das ist eine philosophische Frage. In Richtung Polen sind vier Unternehmen tätig, eines davon ist Selenogradsk-Trans. Sie alle haben Danzig zum Ziel.
Die Abfahrtzeiten von Flixbus sind nicht gerade günstig. Los geht es täglich um 6:00, 7:30 und 15:00 Uhr, zurück um 6:00, 15:00 und 17:00 Uhr. Die Konkurrenz bietet Rückfahrten um 19:00 und 21:00 Uhr an, was für Tagesausflüge deutlich praktischer ist. Unterschiede im Komfort gibt es ohnehin keine.
Beim Service ist noch viel Luft nach oben
Speziell für den Eintritt in den russischen Markt hat Flixbus eine russische Website eingerichtet. Die Tickets kosten dort allerdings bis zu 300 Rubel mehr als an der Kasse am Busbahnhof. Das günstigste Online-Ticket kostet 949 Rubel, während es an der Bushaltestelle für 700 Rubel zu haben ist. Gleichzeitig muss ein Ticket aus dem Internet ausgedruckt werden, sonst ist es im Bus nicht gültig. Auf der Seite kann man maximal vier Tickets kaufen. Wer mehr braucht, muss zur Kasse am Busbahnhof gehen.
Und noch mehr unangenehme Nachrichten: Es gibt weder Toiletten, WLAN noch Steckdosen im Bus, dafür freie Sitzplatzwahl. Die Sitze sind etwas schäbig, die Heizung ist so derb aufgedreht als wären wir in Sibirien.
Der Mangel an Annehmlichkeiten wird durch die Höflichkeit der Fahrer teilweise ausgeglichen. Unserer heißt Walerij. Nach der Begrüßung bittet er uns zu prüfen, ob wir unsere Pässe mit den Visa nicht vergessen haben. Die Fahrt nach Danzig dauert etwa vier Stunden. Die tatsächliche Reisedauer hängt stark von der Grenzkontrolle ab. An Wochentagen ist das Verkehrsaufkommen geringer, sodass es ziemlich schnell geht. An der Grenze wird nicht gefragt, wo man in Polen übernachten will oder wann man vorhat, zurückzukehren. Das Einzige, was interessiert, ist, wie viel Alkohol und Zigaretten man ins Land bringt. Hat man nichts dergleichen dabei, schwebt man unter ihrem Radar hindurch.
Viele Passagiere wollen gleich weiter
Die meiste Zeit schlafen die Passagiere. Neben solchen, die wie ich nur ein wenig durch Danzig spazieren wollen, sind auch einige dabei, die in Polen arbeiten. Nicht weit von mir saß ein schnurrbärtiger Seemann, der am Telefon immer wieder jemanden fragte, wann er auf See gehen sollte. Danzig hat eine der größten Werften Europas und einen Hafen. Vom Flughafen Danzig aus kann man auch mit den Billigfluglinien Wizz Air und Ryanair weiterreisen. Deshalb fahren einige Passagiere weiter zum Flughafen.
Im Allgemeinen ist die Fahrt ruhig. Und noch ein Tipp: Fragen Sie am besten den Fahrer, wo der Bus zurückfährt. Sonst irren Sie wie ich 15 Minuten vor Abfahrt in Panik auf den Straßen von Danzig umher – auf der Suche nach der Haltestelle.
Ljubawa Winokurowa