Andrej Krasulin, anerkannter Klassiker der russischen zeitgenössischen Kunst, wurde 1934 in Moskau geboren. Er absolvierte die Kunstfachschule und arbeitete als Bildhauer. In den 1990ern wandte er sich der Malerei zu. Man vergleicht seinen minimalistischen Stil häufig mit der italienischen Strömung arte povera.
Ende Februar 2022 übersiedelte Andrej Krasulin zusammen mit seiner Ehefrau, Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja (in der RF als ausländischer Agent eingestuft) nach Berlin. Sie ließen sich in der Wohnung Alexej Jewgenjews nieder. Er ist Ulitzkajas Sohn aus zweiter Ehe und Großunternehmer. Seitdem befindet sich Krasulins Atelier dort. Die Ausstellung „Berliner Tagebuch“ erzählt über den Prozess der Anpassung an die neuen Umstände.
Satzfetzen und Spiralkreise
In der Ausstellung werden 19 Arbeiten gezeigt. Sie sind zwischen 2023 und 2024 entstanden. Viele davon wurden auf Packpapier ausgeführt. Zum Beispiel auf Lidl-Einkaufstaschen. Das stellt die Zerbrechlichkeit des Lebens am neuen Ort dar, im Gegensatz zur Festigkeit der Leinwand und des gewohnten Moskauer Alltags.
Am Beginn der Ausstellung sind Arbeiten mit Farbproben und Grundierungen zu sehen. Sie versinnbildlichen das Stimmen der Instrumente des Malers nicht nur für ein neues Bild, sondern auch für einen neuen Lebensabschnitt. Dem Maler ist es übrigens gelungen, bei der Übersiedlung seine innere Welt zu bewahren.
Für viele Arbeiten des zentralen Teils der Ausstellung ist das Einbeziehen von Texten charakteristisch, von Satzfetzen, Einkaufszetteln oder unveröffentlichten Gedichten der Frau des Meisters.
Werke aus der Reihe „Kreise, Spiralkreisel“ schließen die Ausstellung „Berliner Tagebuch“ ab. Die Mitarbeiter der Galerie, die Verbindung zu Andrej Krasulin halten, erzählen, dass seinen Worten nach ein Tag nicht leer oder sinnlos ist, wenn man wenigstens einen Kreis oder eine Spirale gezeichnet hat. Gleichzeitig sind diese Figuren Symbole der Gesetzmäßigkeit und Zyklizität der Kunst des Malers, unseres Alltags und der Geschichte des Landes.
Die Ausstellung ist bis zum 22. Mai in der Galerie popp/off/art in der alten Weinfabrik, im Winsawod, zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Olga Silantjewa