Deutsch ist ihr Hobby

Das „Tolle Diktat“ bringt seit Jahren diejenigen zusammen, die sich für Deutsch begeistern. Und das in ganz Russland. Unsere Autorin war in Jekaterinburg vor Ort.

Alles richtig gemacht? Die Teilnehmer geben ihr Bestes. (Foto: Juliana Martens)

Oxana Gerzen ist nervös. Aufgeregt sortiert die 28-jährige Biologin ihre Stifte und richtet das vor ihr liegende Papier aus. Um sie herum sitzen noch 100 weitere Jekaterinburger, die in diesem Jahr beim „Tollen Diktat“ ihre Deutschkenntnisse überprüfen wollen. Für Gerzen ist es das erste Mal. Und das ohne Vorbereitung. Dafür blieb neben der Arbeit an ihrem Forschungszentrum schlicht keine Zeit. 

Auch wenn es ihr Nachname vermuten lässt, deutsche Vorfahren hat Gerzen nicht. Mit Deutsch ist sie das erste Mal in der Schule in Berührung gekommen. Fünf Jahre hat sie die Sprache gelernt – und nach dem Abschluss vieles wieder vergessen. Vor einem Jahr entschied sich Gerzen schließlich, ihr Deutsch wieder aufzufrischen. Seitdem besucht sie ein Mal die Woche einen Kurs. Denn sie mag die Sprache. Für sie sei es eine der schönsten auf der Welt, meint Gerzen.

Deutsch ist ein Hobby mit Mehrwert

Zwar ist der Deutschkurs eher ein Hobby, aber eines mit praktischem Nutzen. Eine Fremdsprache zu lernen stärke das Langzeitgedächtnis, ist Gerzen überzeugt. Und es fördert die persönliche Entwicklung. Denn die junge Frau nimmt oft an Konferenzen in Österreich teil und kann sich mittlerweile mit ihren Kollegen auf Deutsch unterhalten. Beim „Tollen Diktat“ will Gerzen testen, wie gut sie die Sprache Goethes und Schillers wirklich beherrscht. Und natürlich auch andere Interessierte treffen.  

So wie Oxana Gerzen geht es den meisten, die das „Tolle Diktat“ mitschreiben. Für viele Teilnehmer ist das Deutschlernen ein Hobby. „Sie machen es einfach für sich selbst, als Freizeitaktivität, einfach um zu schauen auf welchem Niveau sie sich derzeit mit der Sprache befinden“, sagt Swetlana Uchurowa. Uchurowa organisiert das „Tolle Diktat“ in der Millionenstadt Jekaterinburg.

Und auch sonst engagiert sie sich als stellvertretende Leiterin der Organisation für nationale Kulturautonomie der Russlanddeutschen und Dozentin am Lehrstuhl für Fremdsprachen und Übersetzen an der Föderalen Universität des Urals für die deutsche Sprache. Als sie vor vier Jahren die Zusage aus Moskau bekam, das „Tolle Diktat“ in Jekaterinburg ausrichten zu dürfen, hat sie sich sehr gefreut. Jetzt war auch die Industriemetropole im Ural Teil der internationalen Aktion zur Förderung der deutschen Sprache in Russland. 

Fast niemand schafft es ohne Fehler

Seitdem ist Uchurowa mit ganzer Seele dabei. An diesem ersten Tag des „Tollen Diktats“ fiebert sie mit den Teilnehmern mit. Ucharowa weiß, dass viele von ihnen unter Stress stehen und Angst haben. Aber der Spaß überwiege dann doch, ist die Organisatorin überzeugt. Sicher, nur wenige schaffen das Diktat ohne Fehler.

Aber das ist nicht unbedingt das wichtigste. Allein den Mut aufzubringen, sich einem unbekannten Text auf einer Fremdsprache zu stellen, sei bemerkenswert, so Uchurowa. Das „Tolle Diktat“ sei für viele ein Experiment, ein Messen des Pegelstands. Wie viel verstehe ich von der Sprache, wie gut kann ich mittlerweile schreiben? Das sei für die meisten Teilnehmer wichtiger als ein Platz auf dem Siegertreppchen, erklärt Uchurowa. 

Im vergangenen Jahr haben weltweit beachtliche 43 000 Menschen am „Tollen Diktat“ teilgenommen. Die Aktion habe dazu beigetragen, dass Deutsch in der russischen Gesellschaft mehr und mehr an Bekanntheit und Zustimmung gewinnt, ist Uchurowa überzeugt.

Nach dem Ende des „Tollen Diktats“ ist auch für Swetlana Gerzen die Welt wieder in Ordnung. Ihre Nervosität sei schnell verflogen. Und ihr Text sei ganz sicher gut geworden, sagt sie. 

Lisa Petzold

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