Der Präsident sagt dem Unrat den Kampf an

Alte Plastikflaschen, vergammelte Küchenreste, ekliger Unrat: Viele Bürger ärgern sich über die unzureichende Müllentsorgung in Russland. Nun soll ein Staatskonzern das Problem regeln.

Übelriechend und gesundheitsgefährdend: Die Russen protestieren gegen überfüllte Müllkippen. /Foto: rupres.com

Sie sind restlos überfüllt, kontaminieren das Grundwasser und ihre giftigen Dämpfe machen Kinder krank: Viele russische Mülldepo­nien sind in keinem guten Zustand. Vor allem im Moskauer Umland, wo die Abfälle der Hauptstadt auf riesigen Halden oft in direkter Nachbarschaft von Wohngebieten verklappt werden, reagieren die Menschen zunehmend empört.

Protest gegen Deponien in der Nachbarschaft

Viele Anwohner wollen die Entsorgung vor der eigenen Haustür nicht mehr länger hinnehmen und gehen auf die Straße. So protestierten im vergangenen Jahr Zehntausende in Städten wie Wolokolamsk, Kolomna und Naro-Fominsk. Aber auch im über 1000 Kilometer von Moskau entfernten Archangelsk regte sich Widerstand gegen eine neue Kippe für den Hauptstadtmüll.

Lange hatte die Regierung das Problem eher links liegen lassen. Mehrere Anläufe zu einer Reform des Entsorgungssystems blieben stecken. Zuletzt geriet eine Abfallnovelle von Ende 2018 ins Stocken, welche den Regionen die direkte Verantwortung für den Zustand der Halden und die Weiterverarbeitung der Abfälle auferlegt hatte. In zehn Gebieten fanden sich bis Januar 2019 keine Firmen für die Aufgaben. Die Duma musste nachjustieren und den Regionen Übergangsfristen einräumen – eine weitere Verschiebung der Reformen.

Der Präsident reagiert mit Dekret

Mitte Januar wurde nun an höchster Stelle auf das brennende Problem reagiert. Per Dekret rief Präsident Wladimir Putin den Staatskonzern „Russischer ökologischer Operator“ ins Leben. Die Ziele des Unternehmens: der Schutz der Bürger vor den vom Müll verursachten Gesundheitsgefahren, der Aufbau eines Recyclingsystems und der Umweltschutz. Mit dem Schritt wird die russische Abfallwirtschaft stark zentralisiert und ein staatliches Monopol aufgebaut. Sitz des Unternehmens ist in Moskau. Gründer ist das Umweltministerium.

Zu den konkreten Aufgaben der Staatsfirma gehören die Ausarbeitung von Gesetzen zur Müllweiterverarbeitung, die Kontrolle der Kippen und die Kooperation mit internationalen Organisationen und den Entsorgern in den Regionen. Außerdem soll der Konzern Verträge für den Abtransport schließen, die Umsetzung von Beschlüssen vor Ort überwachen und Investoren suchen. Die Firma wird so zum Zentrum für die Müllreformen.

Kritiker warnen vor Machtfülle und Gebühren

Experten reagieren gespalten auf den Vorstoß. Kritiker warnen vor der Machtfülle, den weitreichenden Kompetenzen und unzureichender Kontrolle. Beamte könnten sich mit Gebühren und Schmiergeldern bereichern, warnte Dmitrij Gudkow, Vorsitzender der „Partei der Veränderungen“ auf dem Portal info.ru.

Für eine Bewertung sei es noch zu früh, warnen dagegen die Fürsprecher. Grundsätzlich lohne ein Vorstoß in Richtung Zentralisierung, da die bisherigen Reformen nicht vorangekommen seien. „Auf der föderalen Ebene gibt es bisher ja keinen, der die einzelnen, komplexen Prozesse zum gegenwärtigen Zeitpunkt zusammenführt“, sagt Igor Tschajka, Besitzer der Müllverarbeitungsfirma „Chartija“ im Gespräch mit der Zeitung RBK. Der neue Konzern könne diese Aufgabe übernehmen und eine Vereinheitlichung bewirken.

Birger Schütz

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