Zwischen Mond und Bitumen

Er war Einsiedler, experimentierte mit exotischen Farbzusätzen und liebte die Natur: Archip Kuindschi zählt zu den bedeutendsten russischen Landschaftsmalern des 19. Jahrhunderts. Eine Ausstellung seiner Bilder in Moskau bricht nun Besucherrekorde.

Birken, Wälder und die weite russische Natur inspirierten Archip Kuindschi zu seinen Gemälden. /Foto: tretyakovgallery.ru

Im Herbst 1880 trug sich im Russischen Museum von St. Petersburg Unerhörtes zu: In einem schummrigen Saal mit sorgsam abgehängten Fenstern, erhellt nur von einem Strahl elektrischen Lichts, eröffnete der Landschaftsmaler Archip Kuindschi eine heiß ersehnte Ausstellung, über die schon vorher Gerüchte durch die Stadt geisterten. Viel war allerdings nicht zu sehen. Denn die ganze Schau bestand aus nur einem einzigen Werk, dem großformatigen Bild „Mondnacht am Dnjepr“.

Auf der Suche nach versteckten Lämpchen

Kuindschi hatte viel experimentiert, um das besondere Leuchten an Europas drittlängstem Fluss einzufangen. So mischte der Künstler spezielle Pülverchen und Pigmente zusammen und rührte auch Bitumen in seine Farben. Das Ergebnis wirkte so realistisch, dass die Besucher in Massen in die Ausstellung strömten. Berichten zufolge war die ganze Stadt auf den Beinen, vor dem Museum bildeten sich lange Schlangen. Manche Kunstfreunde waren von dem Bild so beeindruckt, dass sie hinter der Leinwand nach versteckten Lämpchen suchten, die den Mond simulieren könnten.

Rund 140 Jahre später haben Kuindschis Bilder nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Allein zwischen Oktober und November  des vergangenen Jahres strömten mehr als 135 000 Russen in die Ausstellung „Archip Kuindschi“, welche gerade im Ingenieurskorpus der Tretjakow-Galerie zu besichtigen ist. In den Neujahrsferien kamen noch mal 28.000 Kunstfreunde. Die Schau ist erst die vierte Ausstellung nach dem Tod des Künstlers im Jahr 1910. So waren die Gemälde, welche sich vor allem um die Themen Raum, Licht und Natur drehen, bisher nur in den Jahren 1913, 1914 und 2007 zu sehen. Für die Ausstellung trug die Tretjakow-Galerie nun rund 200 Werke aus den Beständen von 24 Museen zusammen.

Der Einsiedler und die Geheimnisse der Nacht

Die Bilder stammen aus verschiedenen Schaffensphasen, von den ersten Experimenten in der Gruppe der sogenannten Wanderaussteller, bis zu den langen Jahren, in denen Kuindschi eine weltabgewandte Einsiedlerexistenz führte. Die Ausstellung ist in vier Abschnitte gegliedert. Im ersten Saal werden unter dem Motto „Erdanziehung“ Werke gezeigt, die von Kuindschis intensiver Auseinandersetzung mit der russischen Natur zeugen. Besonders eindrucksvoll ist dabei die Trilogie „Ladogasee“, in welcher der Künstler in menschengroßen Bildern den rauen Charakter des russischen Nordwestens einfängt. Ein anderes Kapitel heißt „Geheimnisse der Nacht“ und zeigt neben der berühmtem „Mondnacht am Dnjepr“ Werke rund um die Themen Mondlicht und Finsternis.

Ein Extratag für die Besucher

Nebenan dreht sich unter dem Schlagwort „In den Weiten der Ewigkeit“ alles um Raum, Luft, Wolken und Nebel. Dass Kuindschi auch um städtische Motive keinen Bogen machte, verdeutlicht der Abschnitt „Der Zeit voraus“ mit akkurat gezeichneten Moskauer Ansichten. Die Ausstellung ist bis zum 17. Februar zu sehen. Karten gibt es an der Kasse und im Internet unter der Adresse www.tretyakovgallery.ru/en/. Geöffnet ist am Dienstag und Mittwoch von 10 bis 18 Uhr. Von Donnerstag bis Sonntag kann die Ausstellung drei Stunden länger besucht werden. Wegen der großen Nachfrage öffnet die Galerie außerdem am 11. Februar, einem Montag, zwischen 10 und 21 Uhr.

Birger Schütz

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