Wie eine Romanverfilmung viele Russen verärgert

Die Serienverfilmung von Gusel Jachinas Roman „Suleika öffnet die Augen“ hat heftige Diskussionen ausgelöst. Viele Gruppen fühlen sich falsch dargestellt. Dem widerspechen Schauspieler und Regisseur.

Suleika
Provoziert: Viele Russen haben an der Serie „Suleika öffnet die Augen“ etwas auszusetzen. (Foto: kinopoisk.ru)

Tatarstan in den 1930er Jahren. Die junge Suleika lebt auf einem Bauernhof mit ihrem viel älteren Mann, der sie quasi als Sklavin hält. Eigentlich hat sie mit ihrem Leben abgeschlossen. Bis ihr gewalttätiger Ehemann im Zuge der Entkulakisierung erschossen wird. Suleika fängt mit dem Mörder eine Affäre an, wird nach Ostsibirien deportiert und findet dort ihr Glück. Es ist ein scheinbar fantastische Geschichte, die Gusel Jachina in ihrem Debütroman „Suleika öffnet die Augen“ erzählt, aber auch eine, die ihre Großmutter teilweise so erlebt hat. 

Schon kurz nach der Veröffentlichung 2015 gingen die Kritiken auseinander. Während einige dem Roman stilistische Schwächen attestieren, war das Gros der Kritiker überzeugt, Jachinas Roman sei eine gelungene Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der sowjetischen Geschichte. Sowohl das Buch als auch die Theaterinszenierung erhielten Preise oder wurden zumindest nominiert.

Viel Geld, aber wenig Ausstrahlung

An eben diesen Erfolg wollte auch die Fernsehserie anknüpfen. Das Rezept schien einfach. Man nehme einen bekannten Roman, stecke viel Geld in die Produktion und besetze die Rollen mit Stars. Das hat schon oft funktioniert.

Doch im Fall der achtteiligen Serie „Suleika öffnet die Augen“ kam es anders. Schon nach der ersten Folge Mitte April hagelte es von allen Seiten Kritik. Religionsverbände, Kommunisten, Internetnutzer und Filmexperten – sie alle hatten etwas auszusetzen oder waren beleidigt.

Hauptdarstellerin Tschulpan Chamatowa erhielt bereits kurz nach der Premiere beleidigende Nachrichten von Konservativen aus ihrer tatarischen Heimat. Auch die Geistige Vereinigung der Muslime Russland drückte ihr Unverständnis aus. Zeigt „Suleika öffnet die Augen“ doch Sex in der Moschee, ein nicht traditionelles Familienbild und bezeichnet Muftis als politische Gefangene.

Konservative und Kommunisten fühlen sich beleidigt

Das sei eine Verletzung der Gefühle Gläubiger hieß es. Auf diesen Zug sprang auch Sergej Gawrilow, Vorsitzender des Duma-Komitees für die Entwicklung der Zivilgesellschaft. Er forderte die Generalstaatsanwaltschaft und das Kulturministerium auf, die Serie auf solche Verletzungen zu überprüfen und ähnlich ausgerichteten Filmen zukünftig die Finanzierung zu entziehen.

In ihren Gefühlen, zumindest aber in ihrem Selbstverständnis, verletzt fühlten sich auch die Kommunisten. Kommen sie als doch als Personen rüber, die gerne Menschen schinden oder einfach gleich erschießen. Das sei historisch unkorrekt, polterte die Partei „Kommunisten Russlands“, die die weitere Ausstrahlung verhindern wollte.

Denn das sei ein Versuch, die Menschen zu spalten, und das kurz vor dem 9. Mai. „In der schweren Zeit der Corona-Epidemie und vor dem Tag des Sieges, wenn es patriotischer Stücke bedarf, zeigt das russische Fernsehen Filme und Serien, die einseitig, voreingenommen und verzerrt die Geschichte unseres Landes wiedergeben“, sprang Gawrilow auch den Kommunisten zur Seite.

Und auch im russischen Internet war die Empörung groß. Viele User bezichtigen die Serie der Propagandalüge. Andere sehen in ihr die Geschichte eines Verrats oder gar gleich die „Schändung der Geschichte“.

Das sei absurd, meint der Filmkritiker Antron Chitrow. „Suleika öffnet die Augen“ ist eine „lachhaft vorsichtige Serie“ mit minimalem Risiko und ohne Aussage, schreibt er auf dem Nachrichtenportal „Medusa“. „Ich hatte eher Angst, dass die Realität, die wir zeigen, nicht grausam genug sein wird, dass der Schmerz und die Tragödie der Ereignisse nicht genügend herüberkommen“, zitiert das Nachrichtenportal „Lenta“ Chamatowas Verwunderung über die Vorwürfe. Und auch Regisseur Jegor Anaschkin wehrt sich gegen die Kritik. Es sei schließlich nur ein Film, so Anaschkin.

Daniel Säwert

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