Fotografien von Thomas Demand: Spiegel ohne Gedächtnis

Unter dem Titel „Spiegel ohne Gedächtnis“ läuft im Garage-Museum die Ausstellung des deutschen Künstlers Thomas Demand. Seine Werke sind erstmals in Russland zu sehen, wenngleich der Fotograf bereits mehrfach im Land unterwegs war.

Werke von Thomas Demand im Garage-Museum
Das Garage-Museum zeigt Werke des Fotografen Thomas Demand. (Foto: Garage-Museum)

Ausstellungen deutscher Fotografen in Moskau haben schon immer die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 stellte der Fotograf Juergen Teller seine Ausstellung „Zittern auf dem Sofa“ in Moskau vor, die zeigte, wie man für die Lieblingsmannschaft jubeln sollte. Im Jahr darauf präsentierte der deutsche Fotograf Thomas Dworzak, der in den 90er Jahren viel in Osteuropa gereist war und dort gearbeitet hatte, im Rahmen der Ausstellung der Fotoagentur Magnum seine Arbeiten den Moskauern. Dieses Jahr ist Thomas Demand mit seiner Ausstellung „Spiegel ohne Gedächtnis“ an der Reihe.

Wie arbeitet Thomas Demand und was unterscheidet ihn von anderen Fotografen? Er nimmt die Bilder von bestimmten Ereignissen aus der Presse und anderen Quellen, reproduziert diese Szenen mit Skulpturen aus Pappe und Papier in Originalgröße, fotografiert sie und zerstört sie dann. Ein Teil der Arbeiten des Fotografen füllt nun zwei Etagen des Garage-Museums. Schon ein erster Blick auf die Kunstwerke zeigt, dass Demand bei seinen Ausstellungen versucht, den lokalen Kontext zu berücksichtigen.

Lokaler Kontext im Fokus

Auf der zweiten Etage sind hängende Konstruktionen mit Bildschirmen installiert, die auf den Konstruktivismus verweisen. Vor allem ähneln diese Konstruktionen der Fassade des Rusakow-Kulturhauses in Sokolniki, das vom Architekten Konstantin Melnikow entworfen wurde. Und das ist kein Zufall. Thomas Demand war schon sechs Mal in Moskau, kennt die Architektur, die Arbeiten von Melnikow, hat schon Seminare mit russischen Studenten durchgeführt.

Vom Land jedoch verstehe er bislang noch zu wenig, um sich intensiv künstlerisch damit zu befassen, sagte er in einem Interview mit „The Art Newspaper Russia“. Auf die Frage, wie ein von ihm geschaffenes Modell Russlands aussehen würde, antwortete Thomas Demand daher: „Ein Modell soll sinnvoll sein, dazu muss man die Realität, die man modelliert, sehr gut kennen.“
Aber kennen wir unsere Realität gut genug? Wie nehmen wir sie wahr? Alle Arbeiten von Demand in dieser Ausstellung sollen uns zum Nachdenken anregen. Wir versuchen, unsere eigenen Fragen zu beantworten: Woran erinnern wir uns wirklich? Was bleibt uns nach aufsehenerregenden Ereignissen im Gedächtnis? Welche Funktion hat ein visuelles Bild in der modernen Welt?

Edward Snowdens Zimmer in Scheremetjewo

Ein leerer Raum ohne Fenster, von dem jedes Element auf ein Zeichen reduziert scheint: ein Tisch, ein Bett, eine Lampe. Was ist in diesem Raum so besonders? Wer hat hier gewohnt? All diese Fragen schwirren einem im Kopf herum, wenn man sich das nächste Werk anschaut. Dieses Foto ist die neueste Arbeit von Demand, die er erstmals in Moskau präsentiert. Thomas Demand versuchte, die Geschichte mit dem amerikanischen IT-Spezialisten Edward Joseph Snowden, der die geheimen Dokumente der amerikanischen National Security Agency über die totale Überwachung der US-Geheimdienste veröffentlicht hat, neu zu erstellen.

Auf den Fotos sieht man den mutmaßlichen Aufenthaltsort Snowdens in Scheremetjewo. Der Raum ist frei von individuellen Merkmalen, aber wir, die die Geschichte von Snowden kennen, verleihen diesen Objekten unheilvolle Eigenschaften. Plötzlich erscheinen sie wie Werkzeuge der Überwachung und Entdeckung. Für Demand ist es jedoch wichtig, die künstlerischen und bürgerlichen Impulse zu trennen. „Um in der Zukunft zu überleben, muss die Kunst sich davor hüten, ein Kommentarwerkzeug zu werden, wie die Presse“, sagt Demand.

Maria Bolschakowa

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