Frau Pfeiffer-Poensgen, das deutsch-russische Kreuzjahr des Wissenschafts- und Hochschulaustausches ist in vollem Gange. Sind Sie bereits mitgerissen?
Das Kreuzjahr ist kein einmaliges Event, das von viel Marketing begleitet wird. Es betrifft hauptsächlich diejenigen, die sich für die Wissenschaft interessieren. Und da ist es sehr beeindruckend zu erleben, wie stark diese deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen sind. Je mehr man in das Thema eintaucht, desto mehr erkennt man seine Bedeutung. Und das hat schon etwas Mitreißendes, da der Blick von zwei Seiten auch in der Wissenschaft zu ganz neuen Erkenntnissen führt.
Ist solch ein Kreuzjahr eher Verpflichtung, Herausforderung oder Glück?
Eine Verpflichtung ist es nicht. Es ist eher ein Glück zu erkennen, wie viele gute Kooperationen es gibt. Ich habe mich in Moskau mit verschiedenen russischen Wissenschaftlern getroffen, die sich sehr gut mit den deutschen Hochschul- und Forschungsverhältnissen auskennen. Und sie hatten sehr konkrete Ideen, wie man Forschungsprojekte und binationale Ausbildungsmöglichkeiten verbessern kann. Das Interesse ist riesig.
Das gilt auch für die deutsche Seite. So ist der Schwerpunkt der deutsch-russischen Beziehungen, den sich Nordrhein-Westfalen bereits vor vielen Jahren gesetzt hat, sehr lebendig.
Woher stammt das starke Interesse Nordrhein-Westfalens an Russland?
Nordrhein-Westfalen hat natürlich einen Fokus auf die unmittelbaren Nachbarländer. Aber es ist immer ein Gewinn, etwas weiter in die Welt zu schauen. Dabei ist es naheliegend, sich auf bestimmte Regionen zu konzentrieren. Und dazu gehört Russland. Nordrhein-Westfalen hat hier klugerweise einen Schwerpunkt gesetzt.
Der „Eisbrecher“ war die Ruhr-Universität Bochum, die seit über 30 Jahren einen Russlandschwerpunkt hat, und das nicht nur im Bereich Sprache, sondern auch im Bereich Kultur.
Wie drückt sich die Kooperation allgemein und in Zahlen aus?
Zwischen den nordrhein-westfälischen und russischen Universitäten gibt es 133 Kooperationen. Bei meinem Besuch in Moskau sind zwei weitere zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Higher School of Economics sowie der Technischen Universität Dortmund und der Nationalen Universität für Atomforschung dazugekommen.
Die vielen Kooperationen sind ja auch ein finanzieller Kraftakt für das Land Nordrhein-Westfalen.
Natürlich muss von den Hochschulen, sprich aus den Ländern, eine Finanzierung kommen. Das stimmt. Aber es gibt auch sehr gute Möglichkeiten, Drittmittel einzuwerben. Die Programme der Deutschen Forschungsgemeinschaft eignen sich sehr dafür. Aber auch die russische Stiftung für Grundlagenforschung beteiligt sich stark.
Wie setzen Sie sich als Ministerin persönlich für einen verbesserten Austausch ein?
Die Landesregierung hat eine sehr grundsätzliche Haltung, die sagt, dass wir die Internationalisierung verstärken wollen. Solch eine Öffnung ist für das Land wichtig. Das ist auch für die Hochschulen und die Forschung interessant, da die Schwerpunkte unterschiedlich sind und man sich gut ergänzen kann.
Ich habe die russischen Wissenschaftler nach den Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit gefragt. Und sie haben uns ziemlich deutlich strukturelle Probleme genannt, die verbessert werden können. Das betrifft die Vergleichbarkeit der Studiengänge und deren Anerkennung. Aber auch Fragen, wie man sich etwa im Bereich der Biotechnologie ergänzen kann. Das nehmen wir mit und versuchen, von unserer Seite an Verbesserungen zu arbeiten.
Die Fragen stellte Daniel Säwert.