„Face Control“: Stöckelschuhe müssen draußen bleiben

Moskaus Türsteher verstehen keinen Spaß, so zumindest das Klischee. Fakt ist, dass es einem den Spaß verderben kann, wenn man vor dem Klub steht – und dann doch nicht reinkommt. Doch worauf kommt es wirklich an?

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Vor der „Face control“ im Gipsy: Wer kommt rein, wer nicht? / Foto: RIA Nowosti

Freitagabend, ein Uhr nachts. Feierlustige schlängeln sich dicht an dicht das Bolotnaja-Ufer entlang. Hier befinden sich einige der angesagtesten Schuppen der Stadt: Icon, Rolling Stone und Gipsy. Während die eine Hälfte problemlos in den Klub hineinspaziert, wird die andere von den Türstehern, hierzulande „face control“ genannt, abgewiesen. Dabei bleibt Protest oft zwecklos: Die Türsteher zeigen wenig Diskussionsbereitschaft.

Auch Anatolij Kljuschtschow und Maxim Nasarow müssen dieseits der Tür bleiben, haben wohl zu viel getrunken. Manutschechr Jakobuw wiederum wirkt weder angeheitert, noch schlecht gekleidet. „Ohne Angabe von Gründen“, brummt der Facekontroltschik bei ihm. Dem 25-jährigen Tadschiken wird des Öfteren der Eintritt in Klubs verwehrt. So gab er sich schon mal als Südkoreaner aus, da Zentralasiaten nicht zu den Lieblingsgästen russischer Klubs gehören. Im Jagger wurde ihm mal der Eintritt durch eine Seitentür angeboten – für bescheidene 1000 Rubel (umgerechnet 17 Euro). Für die anderen Gäste war er kostenlos. Nach drei Uhr nachts scheinen es selbst blonde Frauen schwer zu haben. Diesmal trifft es Jewgenija Schetina und Tigranija Arutjunjan. „Klub zu voll“, wird ihr am Eingang gesagt. „Ehrlich gesagt, ich verstehe das Prinzip nicht. Ist es Zufall oder steckt da irgendeine Logik dahinter?“, fragt Schetina.

„Over-“ oder „underdressed“?

Gipsy-Kreativdirektor Wjatscheslaw Gluschkow zufolge sind die Türsteher klar angewiesen, weniger Leute reinzulassen, wenn es zu voll wird. „Wenn sich selbst die Barkeeper nicht mehr bewegen können, wird es kritisch“, so Gluschkow. Auch das Outfit spiele eine Rolle. Männer im Anzug und Frauen auf Absätzen seien einfach nur „overdressed“. „Sie gehören nicht zu uns.“ Man sollte natürlich bleiben, Jeans und Sneakers wären normal. Das Magazin „Afischa“ hat neulich Moskauer Türsteher nach ihren „Betriebsgeheimnissen“ gefragt. Fillip Alexejew, angestellt im derzeit angesagten Minimal-Techno-Club Mix, achtet klar auf das Äußere. Eine wichtige Rolle spiele aber auch der Gesichtsausdruck. „Stark Betrunkene kommen nicht rein. Ebensowenig ungepflegte Leute in dreckiger Kleidung und Schuhen“, so Alexejew, bereits zwölf Jahre als Türsteher tätig. Auf die „Blacklist“ komme man nur bei Schlägereien oder schlechtem Verhalten. Ein Minus bei Frauen sei ein zu großzügiges Make-up. „Manchmal kommt es auch einfach darauf an, ob man so aussieht, als würde man Cocktails kaufen.“ Der Dresscode hänge stark von der Location ab. Es gebe durchaus Nachtklubs, die Wert auf ein nobles Outfit legen. Bei anderen sei dies, ganz im Gegenteil, negativ.

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Sommersaison: Feierlustige auf dem Weg zum Klub / Foto: Polina Kawardak

Moskau: Aussterben der Szene

So auch beim Rodnja. „Da die Leute am Eingang wenig reden, schauen wir zuerst auf die äußere Erscheinung. Kleidung, Schuhe – auf das Gesamtbild kommt es an“, erklärt Kirill Poljakow der „Afischa“. Seit 2010 ist er Türsteher im hippen Klub im Artplay an der Metro „Kurskaja“. Dabei falle die Auswahl nicht immer leicht. „Viele unserer Gäste sind Künstler – da kann man schnell eine vorschnelle Entscheidung treffen.“ Schwer hätten es Leute, die aussehen würden, als kämen sie aus dem Büro oder von der Hochzeit. „Würde ich sie reinlassen, würden sie nur trinken und sich nicht unterhalten. Kurzum, die Atmosphäre zerstören“, ist sich Poljakow sicher. „Das geht gar nicht.“ „Was zählt, ist das Charisma. Es kommt drauf an, wie man sich beim Reingehen unterhält, wie die Stimmung ist“, sagt Andrej Wolkow, „Facekontroltschik“ im Strelka und im Arma 17. „Regelmäßige Gäste im Strelka gibt es über 200. Es ist leicht, sich an sie zu erinnern. Sie sind angenehm und bleiben mir im Gedächtnis“, so Wolkow.  Heutzutage sei die Arbeit als Türsteher schwerer als vor einigen Jahren. Da habe es noch eine klare Unterteilung der Szenen gegeben: Trance, harter Techno und intellektueller Minimal. Heute hingegen würden sich die Genres vermischen, deswegen gebe es weniger Auswahlkriterien.

Christopher Braemer

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