Geistesblitze im Lazarett

Episches Geballer und übertriebenes Pathos sucht man vergeblich im neuen Streifen über Russlands berühmtesten Waffenkonstrukteur. Der Film ist ruhig erzählt und kommt beinahe brav daher.

Jurij Borisow als Michail Kalaschnikow
Verletzt, doch voller Tatendrang: Jurij Borisow als Michail Kalaschnikow (Foto: MEGOGO Distribution)

Herbst 1941. Ein Hinterhalt in einem Dorf im Westen Russlands. Die Situation scheint nach kurzem Schusswechsel geklärt. Doch dann muss der junge Michail Kalaschnikow ansehen, wie sein Kamerad erschossen wird, weil dessen Gewehr eine Ladehemmung hatte.

Die Szene zeigt, was den Autodidakten angetrieben hat, sein Sturmgewehr zu entwickeln. Die sowjetischen Waffen hatten Mängel.

Der Panzerkommandant war 1941 in der Schlacht von Wjasma und Brjansk im Westen Russlands schwer verwundet worden. Bildgewaltig und actionreich setzt hier die Handlung des Films ein. Die Szene mit dem Hinterhalt hat sich tatsächlich so ähnlich ereignet, als Kalaschnikow mit einem Verwundetentransport unterwegs war.

Tüfteln in der Lokwerkstatt

Noch im Lazarett beginnt er mit ersten Skizzen. In seiner Genesungszeit entsteht der erste Prototyp in einer Eisenbahnwerkstätte im kasachischen Mataj. Die Arbeiter feilen und bohren mit dem von seiner Idee gefesselten Bastler nach Feierabend. Der Anfang einer großen Geschichte.

Sein Film versuche, so Regisseur Konstantin Buslow gegenüber der Zeitung „Wetschernaja Moskwa“, sich an die historischen Fakten zu halten. Dennoch sollte eine Erzählung mit Konflikten, markigen Charakteren und Poesie entstehen. Man schöpfte aus den Memoiren des 2013 verstorbenen Konstrukteurs. Zudem stand dessen Tochter, Jelena Kalaschnikowa, beratend zur Seite.

Der Held wird gespielt von Jurij Borisow, dem die Rolle durchaus steht. In einem Interview mit der Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ sagte er, er habe sich von Zeitzeugen auch die schwierigen Charakterzüge Kalaschnikows schildern lassen. Von diesen hätte man gerne etwas mehr auf der Leinwand gesehen. Der Film-Kalaschnikow gibt sich zwar stets etwas besessen und pfeift gerne mal auf Regeln, wirkt unterm Strich aber doch etwas glatt.

Kein pathetischer Actionfilm

Während der historische Kalaschnikow zweimal verheiratet war, verschmilzt der Film die beiden Ehefrauen zu einer Person. Diese, feinfühlig gespielt von Olga Lerman, trägt Züge beider Vorbilder, ein erzählerisch nachvollziehbarer Griff. Kalaschnikows Herkunft aus einer Familie, die unter Stalin als Kulaken verfolgt wurde, kommt nur in einer kurzen Episode zur Schau. Ein Beamter des Innenministeriums verdächtigt ihn als Spion, es kommt zu einer Prügelei.

Die Szene bringt zwar Action in den sonst geradezu beschaulich dahinerzählten Film, die ist aber letztlich weder historisch korrekt noch für die Geschichte von Nutzen. Für einen dramatischen Streifen gibt die Entwicklung der AK-47 wohl einfach nicht genug her. Sie war zwar von Rückschlägen geprägt, doch erfuhr Michail Kalaschnikow fast durchweg Zuspruch und Unterstützung, auch von anerkannten Waffenkonstrukteuren.

„Kalaschnikow“ ist deswegen kein schlechter Film. Bestechend ist die Liebe zum Detail, mit der etwa die verschiedenen Prototypen des Sturmgewehrs dargestellt wurden. Die Modelle entstanden alle nach Originalzeichnungen. Auch das Szenenbild überzeugt. Die Kaserne oder die Eisenbahnwerkstätte mit ihrem Mobiliar, den Werkzeugen und Maschinen sowie der Garderobe vermitteln ein lebhaftes Bild vom Alltag der 1940er Jahre.

Ein pathetischer Action­streifen ist „Kalaschnikow“ zwar nicht, Ballerszenen gibt es dennoch – auf dem Schießstand im Testgelände.

Jiří Hönes

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