Hoteldirektor Bernd Kuhlen: Als Gastgeber in aller Welt zu Gast

Der General Manager des Moskauer Ritz-Carlton hat gearbeitet, wo andere Traumurlaub machen. Dann sollte es mal eine große Stadt sein – und eine mit richtigem Winter.

Hotelier Bernd Kuhlen

Es kann nicht immer Sommer sein: Auch der kalte Winter lockte Hotelier Bernd Kuhlen mit Familie nach Moskau. /Foto: Privat

Bernd Kuhlen steht da wie ein Baum. Wie eine deutsche Eiche. Tatsächlich. Er kommt aus Mönchengladbach. Doch die Achtung gebietende Statur wird schnell wettgemacht. Sein Lächeln ist breit, offen, entwaffnend. Schon von Berufs wegen. Bernd Kuhlen ist General Manager des Ritz-Carlton, wohl die Moskauer Nobelherberge schlechthin. Erstes Haus an der Hauptschlagader Twerskaja Uliza. Gegenüber liegt die Duma, gerade über die Straße rechter Hand der Kreml. Von der Dachterrasse des Prachtbaus im typisch altrussischen Stil geht der Blick sogar dort mittenrein. Dabei stand an dieser Stelle noch bis vor gut zehn Jahren das eher hässliche Architekturmonster der verwanzten Ausländer-Hotelenklave „Intourist“.

Der Portikus wie der Eingang zu einem göttlichen Tempel. Zwei Stockwerke hohe Säulen mit reich verzierten Kapitellen. Nobel geht es in der ebenso aus- wie einladenden Lobby weiter. Überreichlich Gold, dunkle, hochglanzpolierte Echthölzer, verzierter Marmor, schwere Teppiche, edle Fauteuils. Je nach Geschmack zwischen Kunst und Kitsch. Vornehme Ruhe. Was für ein Arbeitsplatz.

Lässig und bodenständig

Kuhlen ist auch sichtlich zufrieden. Kleidungstechnisch hat er sich von seiner beruflichen Fünf-Sterne-Umgebung aber nicht verbiegen lassen. Er erscheint eher lässig und geschmackvoll, Smart Casual statt branchentypischer Managerzwirn. Ohne teure Krawatte und auffällige Accessoires. Auch kulinarisch lässt er sein Gusto fürs Bodenständige durchblicken: „Eine leckere, gut gebratene Rostbratwurst mit einem herben Pilsner ist und bleibt ein Highlight.“ Und das besonders nach einem Sieg der Kicker von Borussia Mönchengladbach. Von denen ist er seit seiner Jugend schon ein glühender Fan.

Sein Vater starb bei einem Badeunfall, da war der Sohn gerademal drei Jahre alt. Aber vererbt hat der Vater ihm wohl doch etwas. Das Fernweh. Der gelernte Klempner, zusammen mit seinem Bruder Eigner eines Handwerksbetriebs, war ein leidenschaftlicher Weltenbummler. Kein Wunder, dass es Bernd nur zur Ausbildung nach der Mittleren Reife daheim hielt – als angehender Koch im Holiday Inn. Obwohl ihm das ziemlich schnell nicht mehr schmeckte, behagte ihm das, was er vom allgemeinen Gastgewerbe mitbekam, umso mehr. Folgerichtig machte er mit Lehrjahren zum Manager weiter.

Heute weiß er längst: „Ich bin Hotelier mit Leib und Seele.“ Was er ganz offensichtlich seinen Chefs schon mit Erfolg bewiesen hat. Bis auf ein paar Anfangsjahre hat der inzwischen 50-Jährige seine globale Laufbahn exklusiv bei der Ritz-Carlton-Kette absolviert.

Einschnitt am Rose Hall Beach

Seine Stationen lesen sich wie aus einem Traumreiseprospekt: Cancun/Mexico, Barcelona, San Juan/Puerto Rico, Palm Beach/Florida, New Orleans. Für die Eröffnung neuer Häuser wurde er rund um die Welt geschickt: Seoul, Bali, Osaka, Scharm El-Sheikh, Bachelor Gulch/Colorado, Berlin.

Und dann der entscheidene Stopp: Montego Bay/Jamaika. Denn dort, im Ritz-Carlton am Rose Hall Beach, kam es für Bernd Kuhlen, damals schon General Manager, zu einem nachhaltigen Einschnitt. Und zwar in Gestalt der einheimischen Schönheit Michele. Diese war zu der Zeit PR-Managerin des Spa- und Golfresorts.

Für immer ließ sich die nicht nur professionelle Beziehung nicht verheimlichen. Vor sieben Jahren heirateten die beiden, gemeinsam zogen sie weiter. Er als General Manager des Ritz-Carlton Half Moon Bay nahe San Francisco, sie als seine Angetraute. Es folgten dann noch fünf Jahre auf der US-Karibikinsel St.Thomas.

Wer soll nach solchen Traumdestinationen verstehen, warum er ausgerechnet zu Moskau ja gesagt hat? Nun, dafür nennt er gleich eine Reihe von Gründen. Zunächst die Karriere. Dieses Hotel sei schließlich das „Flaggschiff“ der weltweiten Ritz-Carlton-Tophotels. Kuhlens Wunsch nach sollte es nach all den – wenn auch noch so attraktiven – Touristik-Standorten mal eine richtig große Stadt sein. Und dazu eine von internationaler, historischer Bedeutung und kulturellem Reiz. Dann gesteht er noch einen anderen Grund für den Umzug: Winter. Denn da fällt gemeinhin Schnee. Und auf Schnee lässt sich’s trefflich Skifahren, schon lange Kuhlens Sportleidenschaft. Der kann er von Moskau öfter frönen.

Sogar seine karibische, tropisch-schneelos aufgewachsene Frau freut sich schon auf den nahen Winter. Sie ist inzwischen auch oft und gern auf den Brettern unterwegs. Die Hügel in der Moskauer Umgebung nötigen dem alpin versierten Kuhlen-Paar allerdings wenig Respekt ab. Eher schon die künstlichen Abfahrten der riesigen Schneehalle in Krasnogorsk. Dort lernen jetzt bereits die Söhne Justin und Jaden, sechs und vier Jahre alt, auf Skiern zu wedeln. Mit beiden spricht Bernd Kuhlen übrigens konsequent Deutsch. Wobei seine Berufssprache, die verbindende Familiensprache und auch die Sprache im Umgang mit den fast ausschließlich russischen Freunden und Bekannten Englisch ist.

Ein Motto als lebensbestimmende Richtlinie mag er nicht nennen. Das Dasein sei doch zu wichtig, um nach Floskeln zu handeln, meint er, und lässt dann doch noch einen Leitspruch los: „Mich treibt nur an, was ich selbst beeinflussen kann.“ Dabei sei Integrität seine Maxime. Die wende er bei sich selbst an und wenn er andere einschätzt.

Mit der Integrität seiner 330 Mitarbeiter – darunter nur sieben Nicht-Russen – zeigt er sich sehr zufrieden. Weniger mit der vermutlichen Altlast aus sowjetischen Zeiten:  Eine „freie, offene Meinungsäußerung“ im beruflichen Alltagsleben sei „schwierig zu bekommen“.

Aber als Hotelprofi sowie aus eigenem Antrieb übt er sich ohnehin mehr in diplomatischen Usancen. Woher auch immer, wie auch immer, wer auch immer – Gast ist Gast. Er selbst ist das schließlich hierzulande auch. In persönlichen Gesprächen ergibt sich natürlich doch Gelegenheit, nicht nur sein Hotel, sondern auch das faszinierende Moskau, das unendlich weite Russland und die warmherzigen Russen ins rechte Licht zu rücken. So wie er es sieht. Dialoge für bessere Verständigung und mehr Verständnis. Denn sie leben gerne hier – er und seine kosmopolitische Familie. Und zwar auf unbestimmte Zeit. Packen kommt ihnen so schnell nicht wieder in den Sinn. Später erst. Mit ganz sicher schönen Erinnerungen an Russland und die Russen. Irgendwann lockt offenbar doch wieder etwas mehr Sonne: „Spanien vielleicht“, sinniert er vor sich hin.

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