In der Welt zuhause – daheim in Russland

Der Lebensweg von Lada Samodumskaya ist nicht ­alltäglich. Aus einfachen ­Verhältnissen stammend, hat sie sich Schritt für Schritt hochgearbeitet. Bis an die Spitze des berühmten Baltschug Kempinski, eines der besten Hotels Moskaus. Trotz aller Weltläufigkeit, die für ihren Beruf notwendig ist, steht für sie fest: Aus Moskau möchte sie nicht weg.

In der weitläufigen Empfangshalle mit dem imposanten, kühn geschwungenen Treppenaufgang, den ausladenden, filigranen Kronleuchtern und dem einladenden, geschickt arrangierten Ensemble von gediegen-komfortablen Sitzgelegenheiten herrscht weitgehend Leere und Stille. Dort, wo sich sonst die Eingangsdrehtür unablässig dreht und munteres, vielsprachiges Stimmengewirr den hohen Raum erfüllt, tönt dieser Corona-Tage nur verhaltene, leichte Musik als dezente Geräuschkulisse.

Die erste russische Leiterin des Baltschug Kempinski

Da wird die erholsame Ruhe jäh gelinde unterbrochen. Eine Fahrstuhltür öffnet sich und eine elegant-gepflegte Dame empfängt den Besucher mit buchstäblich offenen Armen und einem ungekünstelten, strahlenden Lächeln: Lada Samodumskaya. Sie ist hier so gut wie zuhause. Und seit Anfang dieses Jahres die Herrin des Hauses. Die erste Einheimische und die erste Frau, der die Führung dieses Moskauer Hotels der allerobersten Kategorie unter dem Namen einer internationalen Luxusmarke anvertraut wurde: das Baltschug Kempinski, bei seiner Eröffnung 1992 die einzige echte Nobelherberge am Platze, gleich an der Moskwa, gleich gegenüber dem weltberühmten Roten Platz und dem Zentrum der russischen Staatsmacht, dem Kreml.

Mit ihrer über 120-jährigen Historie gelten die Kempinski-Hotels als die älteste Luxus-Hotelgruppe Europas mit Sitz in Genf. Den Anfang aber machte ein geschäftstüchtiger Weinhändler aus dem Polnischen in Berlin, Berthold Kempinski. Schnell gesellten sich zum Weinhandel Restaurants und Hotels in der deutschen Hauptstadt. Inzwischen tragen 77 erstklassige Hotels in 34 Ländern seinen Namen.

Russische Frauen, weltweit angesehen als attraktiv in Aussehen und Aufmachung, ehrgeizig und energisch, aber auch fürsorglich und verantwortungsvoll gegenüber der versammelten Verwandtschaft. Nun, all diese Klischees verkörpert die Karrierefrau einer neuen postsowjetischen Generation tatsächlich.

Aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet

Eigentlich war der Endvierzigerin ein solch steiler Aufstieg an die Manager-Spitze nicht gerade in die Wiege gelegt. Ihre Eltern hatten sich in der Kohleregion Workuta, einer der wirklich harten Lebensumgebungen in der Weite des Landes, in der Schule getroffen und machten später beide als Moskauer Polizeioffiziere ihren Weg. Mit einem Bruder sei sie in einer ganz normalen, aber liebevollen Familie aufgewachsen, in der ihr auch anerzogen wurde, dass ehrgeiziges Lernen und Arbeiten nicht nur notwendig, sondern alles andere als eine Schande seien.

So war sie im zarten Alter von 17 bereits Supervisor in einer Firmenverwaltung, dann Administration Manager, zwei Jahre später in ihrem ersten Hoteljob als Room Division Secretary im örtlichen „Aerostar“, wo sie es schon bis zur stellvertretenden Sales & Marketing-Direktorin schaffte. Sozusagen „nebenher“ machte sie sich über viele Jahre mit Studienabschlüssen in „Information & Computer Technology“, „Economical Cybernetics“ und „Sales & Marketing“ an renommierten Akademien sowie mit Praktika in führenden Londoner Hotels für den weiteren Aufstieg fit: Im Jahr 2000, mit gerade einmal 28 Jahren, wurde sie erstmals im Baltschug Kempinski für den Verkauf verantwortlich.

Lada Samodumskaya in der Lobby „ihres“ Baltschug Kempinski (Foto: Baltschug Kempinski)

Der Job führt Samodumskaya um die Welt

Vier Jahre später eröffnete sie das Verkaufsbüro für „Hyatt International Hotels and Resorts“ in Moskau, dann folgten neun Verantwortungs-Jahre als Sales & Marketing-Direktorin von den „The Ritz Carlton“-Hotels , in denen sie auch bei deren Neueröffnungen in Moskau, Peking und Abu Dhabi aktiv war. 2014, wieder zurück im Baltschug Kempinski, wurde sie Direktorin für Verkauf und Marketing und darüber hinaus in Area-Direktorin für vier weitere „Kempinskis“ in Russland und der GUS. Anfang 2018 hochgelobt zum Executive Assistent Manager und vor sieben Monaten zu dem, was sie heute ist – die Nr. 1 des Hauses.

Sie wirft verträumt den Blick zur Decke: Ja, Italien und München, aber ganz besonders San Francisco, da zieht es sie immer wieder hin, mit der gesamten Familie: „Neue Orte, neue Leute, andere Kulturen, anderes Essen“, da kommt sie geradezu ins Schwärmen. So fern ihr Weh klingen mag, von Russland will und wird sie auf Dauer nicht lassen: „Ich bin stolz auf unsere Geschichte und Kultur, auf unser Durchhaltevermögen und Überlebenstalent“, bekennt sie mit gehöriger Emotionalität. Für die Familie, sich selbst und den Vater mit den gemeinsamen zwei Kindern, träumt sie von einem großen Haus, irgendwo um die Hauptstadt herum. Den richtigen Architekten hat sie schon gefunden, denn so einer will nämlich ihr Sohn einmal werden, allerdings ist er jetzt gerade erst neun. Die Tochter, 19, hat auch eher etwas Kreatives, Künstlerisches im Sinn, Designerin vielleicht, anders als Management wie ihre Eltern.

Heimatverbunden und mit Liebe zur klassischen Kultur

Ballett genießt sie vorzugsweise im nahen Bolschoi-Theater, gerade fußläufig über den Fluss und den Roten Platz von ihrer illustren Arbeitsstätte, eine Reminiszenz an ihre jugendlicheren Tage – sieben Jahre hat sie es selbst trainiert und getanzt. Ihr Musikgeschmack ist recht klassisch geblieben. Opernbesuche stehen so oft es geht auf ihrem persönlichen Programm und liebend gerne würde sie Geige spielen. Auch was ihren ausgeprägten Hang, für andere Gutes zu tun, betrifft, ist sie in ihrem Hotel an geeigneter Stelle.

Die „Haus mit dem Leuchtturm“-Kinder-Hospize in Moskau und Umgebung unterstützt sie als rührige Gastgeberin mit Wohltätigkeits-Basaren und -Galas: „Man kann nicht glücklich leben, ohne etwas zurückzugeben“, sinniert sie über die ethisch-menschliche Verpflichtung und fügt hinzu: „Ich will die Menschen um mich herum einfach glücklich sehen.“ Genauso wie sie selbst gesehen wird und wie sie sich sieht. Ihr fortwährend offenes Strahlen, ihre lebhaft glänzenden Augen, ihre fröhliche Stimmlage sprechen da eine beredte Sprache – gegenüber Gästen wie jedem einzelnen ihrer Hotelequipe.

Durchgesetzt in einer Männerwelt

„Einzigartiger Service auf individuellem Niveau“, das hat sich das Traditionsunternehmen Kempinski werbewirksam auf seine Fahnen geschrieben – nun, das lebt sie nicht nur aus loyaler Überzeugung, sondern das lebt sie aus sich selbst heraus. Sie bemüht sich stets um persönlichen Kontakt zu jedem einzelnen Gast und sei es auch nur zu ein paar verbindlichen Worten beim zufälligen Treff im Aufzug. Während der Minimumbelegung zu den weiter andauernden Pandemie-Zeiten lässt sie die Küche über das übliche Angebot des Zimmerservice hinaus das gewünschte Lieblingsessen ihrer Gäste anrichten.

Die Berufslaufbahn dieser Ausnahmefrau erscheint gar nicht mal verwunderlich. Sie kommt für das, was sie sich in bislang 28 Jahren so erfolgreich aufgebaut hat, einfach wie ein Naturtalent daher: mit ihrer herzlichen, so typisch russischen Gastfreundschaft, mit ihrer ansteckenden Fröhlichkeit, ihrem einnehmenden Wesen und mit ihrer vielfach bewiesenen Zielstrebigkeit. Lada Samodumskaya ist beileibe nicht eine „Quotenfrau“, sie steht mehr als ihren Mann.

Frank Ebbecke

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