Hoch die Humpen!

Allem Craft-Beer-Hype zum Trotz, es gibt sie noch, die klassischen Bierhäuser. Ob bayerisch durchgestylt, mit Hang zur Sowjet­nostalgie oder eher schlicht und nüchtern, Moskau hat für jeden Geschmack etwas zu bieten. Wir haben einige Adressen für Sie aufgesucht.

Bierkneipen in Moskau: Solotaja Wobla
Solotaja Wobla: entspannte Pub-Atmosphäre und faire Preise (Foto: Jiří Hönes)

Starina Müller

Los geht es im Müller nahe der Metrostation Proletarskaja im Südosten des Moskauer Zentrums. Das deutsche Restaurant begrüßt seine Gäste in einem Backsteinbau mit neogotischer Ritterburgoptik. Schon im Foyer blickt ein ausgestopfter Keiler von der Wand auf uns herab. Im Durchgang zum großen Saal hängt ein riesiger, schmiedeeiserner Kronleuchter, die dunkel vertäfelten Wände sind von mittelalterlichen Stadt- und Burgansichten gesäumt, eine Art altdeutscher LSD-Trip.

Der geräumige Saal ist an diesem Abend nur mäßig besucht, viele der dunklen Ledersofas sind leer geblieben, ein paar Gruppen von Geschäftsleuten hier und da. Ringsum prangen Szenen aus der deutschen Bierkultur wie sie in der weltweiten kollektiven Fantasie existieren. Hier der Mönch in der braunen Kutte, der mit bierseligem Blick seinen Krug auffüllt, dort eine Gruppe dickbäuchiger Herren in Lederhosen um eine Tafel, der Jüngling, der die holde Maid unter dem Lindenbaum bezirzt, in der Rechten ein Bierkrug, im Hintergrund das Alpenpanorama.

Seine herrlich groteske Note bekommt der Rittersaal erst recht durch die musikalische Untermalung. Unter dem hämmernden Sound einer Techno-Version von „Was wollen wir trinken?“ bestelle ich „bayerische“ Bratwürste und ein Lagerbier der Hausmarke. Das Bier ist etwas eigenschaftslos, aber nicht verkehrt. Die Würste dagegen fantastisch. In Deutschland läuft so etwas unter dem Label „Bratwurstschnecke“ und ich habe ungelogen noch nirgends in Moskau eine bessere Bratwurst gegessen. Dazu in Essig eingelegte Paprika. Herrlich.

Allein wegen der Inneneinrichtung muss man diesen Schuppen gesehen haben. Die Preise bewegen sich im Mittelfeld: 210 Rubel (ca. 2,35 Euro) für einen halben Liter Hausbräu und 690 Rubel (ca. 7,70 Euro) für die Bratwürste mit Kraut.

Solotaja Wobla

Für das gemütliche Feierabendbier mit Kollegen geht man aber vielleicht doch besser in die Goldene Wobla. Wobla? So heißt der Fisch, den man in Russland gerne getrocknet zum Bier knabbert. Er ziert auch das Logo der Bierkneipen-Kette, von der es fünf Filialen in Moskau gibt. Wir waren in der Marxistskaja Uliza unweit der Metrostation Taganskaja. Hier geht es etwas bodenständiger zu. Im Barzimmer herrscht entspannte Pub-Atmosphäre, ein paar Leute sitzen am Tresen und quatschen.

Auch der Raum nebenan ist sehr nett, mit Holzbänken und roten Vorhängen an den Fenstern. Wie es sich für eine Kneipe gehört, zieren allerlei alte Schmuckstückchen das Zimmer, eine Nähmaschine, ein Lederkoffer, Bügeleisen, ein Wecker, alles aus tiefsten Sowjetzeiten. All das schafft eine richtige Wohnzimmerstimmung.

Das Hausbier gibt es für faire 180 Rubel (ca. 2,00 Euro) den halben Liter. Es hat durchaus Charakter, man bekommt es filtriert oder naturtrüb. Darüber hinaus gibt es eine Auswahl an russischen, deutschen, tschechischen und belgischen Bieren vom Fass. Die Speisekarte ist riesig. Es gibt Biersnacks wie Grenki, diese süchtig machenden, mit Knoblauchbutter vollgesogenen Schwarzbrotstreifen, Salate, Suppen, Schaschliks, Pizza und eine Auswahl an Würstchen. Meine Wahl fiel auf „öster­reichische“ Bratwurst. Das waren vier dicke grobe Bratwürste mit Kartoffelpüree und eingelegtem Gemüse, dazu eine Meerrettich-Senfsoße. Für 520 Rubel (ca. 5,80 Euro) wird man mehr als satt und die Würste schmecken auch hier richtig gut.

Weiter oben gibt es auch noch einen Karaoke-Saal, für Fußballfreunde werden Champions-League-Spiele auf der Leinwand übertragen und wer um die Ecke arbeitet, kann zum Business Lunch vorbeischauen. Ein sehr angenehmer Ort.

Kruschka

Nun geht es bergab. Sowohl was den Bierpreis als auch die Innenarchitektur angeht. Dem Spaßfaktor soll das jedoch keinen Abbruch tun. Wir steuern das Kruschka an der Metrostation Taganskaja an. Die Kette hat allerdings noch zehn weitere Filialen in der Hauptstadt. Kruschka, so heißt auf Russisch der gläserne Henkelkrug, aus dem das Bier getrunken wird. Er ziert auch das orangefarbene Logo der Kneipenkette.

Abgehalfterte Ledersofas, Sitzbänke ohne Lehne, eine Fototapete im Dekor „gestapelte Holzkisten“, hier ist alles herrlich geschmacklos. Der Dunst der Fritteuse steht im Raum und diese ist auch ohne Zweifel das meistbeanspruchte Küchengerät, wie ein Blick auf die Karte verrät.

Berüchtigt sind die Snackboxen. Berüchtigt, weil sie einer ganzen Gruppe am nächsten Tag Sodbrennen versprechen. Aber nach ein paar Bier schmeckt Frittiertes einfach, da muss man durch. Für 499 Rubel (ca. 5,60 Euro) bekommen wir eine Holzkiste voller Chickenwings, frittierter Kartoffelbällchen, Cracker, Grenki, Zwiebelringe und zwei Soßen. Es gibt auch Wurst-, Käse- oder Fleischboxen für ganz Hartgesottene.

An Biersorten bietet das Kruschka eine recht große Auswahl, sowohl vom Fass als auch Flaschenbier. Wir wählen natürlich das Hausgebräu. Für 149 Rubel (ca. 1,67 Euro) gibt es den halben Liter. Aber warum nicht gleich einen Eimer mit drei Litern für 799 Rubel (ca. 8,95 Euro) bestellen? Aus dem kann man sich das Bier selbst zapfen. Das Bier der Hausmarke geht runter wie Öl.

Das Kruschka ist ein schlichter Ort, der vor allem junge Leute mit schmalem Geldbeutel anspricht. Keine Hipster hier, nichts ist cool oder angesagt, aber ziemlich ehrlich.

BierHaus

Wieder in die Kategorie „Restaurant“ fällt unser nächster Anlaufpunkt, das BierHaus nahe der Metrostation Baumanskaja – eins von fünf in Moskau. Der Rausch vom Vortag ist ausgeschlafen, das Sodbrennen mit Heilwasser aus dem Kaukasus gelöscht, also nichts wie rein in den Keller, der ebenfalls reichlich mit altdeutschen Wandmalereien aufwartet. Historische Fotos von Brauereianlagen zieren zudem das Foyer, im Saal hängt ein riesiges goldenes Wappen des Großherzogtums Baden. Das Flair erinnert tatsächlich an ein deutsches Restaurant.

Ich wähle das panierte Schweineschnitzel für 899 Rubel (ca. 10,00 Euro) und als Beilage das Bayerisch Kraut für 179 Rubel (ca. 2,00 Euro). Das Schnitzel ist hervorragend und kommt mit Salatgarnitur, das Kraut ist ein Genuss, so richtig schön kümmelig.

Ein eigenes Bier gibt es hier nicht, dafür eine breite Auswahl an deutschen, englischen, tschechischen und belgischen Bieren vom Fass. Ich wähle ein Alteburg Lager für 239 Rubel (ca. 3,67 Euro), eines dieser deutschen Biere, die nur für den Export produziert werden. Fazit: Auch hier wieder ein angenehmes Lokal mit guter Küche.

Killfish

Und zum Abschluss wollen wir noch einmal so richtig versumpfen. Dazu drängt sich der Killfish geradezu auf. Den gibt es viermal in Moskau, die zentralste Adresse ist direkt auf dem Arbat. „Discout Bar“ nennt sich der Schuppen im Keller und das Bier ist auch hier richtig günstig. Für einen halben Liter der Hausmarke zahlt man 150 Rubel (ca. 1,68 Euro), mit einer Clubkarte lässt sich der Preis sogar auf 121 Rubel (ca. 1,35 Euro) drücken.

Wie schon bei Kruschka kann man hier wenig Ansprüche an die Gestaltung stellen, es ist eben einfach ein Kellerloch mit Zapfhähnen und Stereoanlage, das bis früh am Morgen geöffnet hat. Unter der Woche kann man hier bis drei Uhr versacken, am Wochenende bis 5 Uhr. Und die Küche macht jeweils erst eine halbe Stunde vorher dicht. Die bietet auch so einiges, für die nächtliche Hungerattacke empfiehlt sich die Snackbox „Mega Beer Party“ mit Chickenwings, Käsebällchen, Crackern, Zwiebelringen, Pommes, Nachos, Pelmeni und Chicken-Nuggets für 1110 Rubel (ca. 12,40 Euro).

Prost und guten Appetit!

Jiří Hönes

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