Gesegnete Mahlzeit

Der Mensch lebt nicht vom Gebet allein. Wie halten es Moskaus Kirchen und Klöster mit dem leiblichen Wohl? Vier Orte, an denen nicht nur geistige Nahrung verabreicht wird.

In Moskau soll es zwischen 400 und 500 sogenannte Stolowajas geben – Reinkarnationen der sowjetischen Werkskantine mit vorgekochten Speisen in der Auslage. Einige dieser Großküchen befinden sich auch in Gotteshäusern, wo sie sich sowohl an die dortigen Gläubigen als auch an Passanten richten und eine zusätzliche Einnahmequelle darstellen.

Auf Sowjettraditionen muss sich ausgerechnet in der unter dem roten Banner gepeinigten Kirche aber niemand berufen. Die Gemeinschaftsverpflegung war schließlich von jeher Bestandteil des Klosterlebens. Die Stolowaja hat deshalb hier auch einen eigenen Namen: Trapesnaja. Das Essen ist wie überall von unterschiedlicher Qualität, doch weil neben dem Gaumen ja auch die Sinne angesprochen werden („Das Auge isst mit“), macht vor allem der Ort die Verköstigung zu etwas Besonderem.

Hoch-Peter-Kloster

Zum Beispiel im Hoch-Peter-Kloster in bester Altstadtlage. Während die klassische Stolowaja sich meist durch ein schlichtes und funktionales Innenleben auszeichnet, ist dieser Speisesaal mit seinen Wandmalereien im Untergeschoss einer der Kirchen geradezu ein gastronomischer Himmel auf Erden. Wobei allerdings ein wenig das Gefühl aufkommt, hier hätten sich mal wieder die Bolschewiken an einem heiligen Gemäuer vergangen, auf dass die Arbeiterklasse dort mit Buletten und Kartoffelbrei gestärkt und nicht mit dem Opium des Volkes benebelt wird.

Im Hoch-Peter-Kloster speist man mit Blick auf Kirchenheilige. (Foto: Tino Künzel)

Unter dem Decken-Halbrund wird gewohnt einfache Kost angeboten. An einem Sonntagnachmittag Anfang Februar war die Auswahl minimal und die Bedienung hinter der Theke so schwer zu verstehen wie Kirchenslawisch. Geöffnet hat die Trapesnaja täglich von 11 bis 18 Uhr. Das Männerkloster selbst ist ebenfalls sehenswert. Es soll über 700 Jahre alt sein. Zu finden in der Petrowka 28 (derselben Straße wie das Bolschoi-Theater), beherbergt es außerdem einen Gebäckladen und ein Café. Die nächstgelegenen Metrostationen sind Trubnaja und Puschkinskaja.

Johannes-der-Täufer-Kloster

Ebenfalls eine bekannte Adresse in Moskau ist der Imbiss am Johannes-der-Täufer-Frauenkloster auf einem Hügel in der Nähe der Metrostation Kitaj-Gorod. In dem Anbau (täglich 9 bis 19.30 Uhr, Maly Iwanowski Pereulok 2) werden Lebensmittel wie Marmeladen und Honig feilgeboten. Es gibt auch Kaffee und Kuchen. Warme Speisen kommen aus der Mikrowelle und werden auf Plastiktellern serviert. Eher etwas für den schnellen Happen zwischendurch auf dem Nachhauseweg.

Das Johannes-der-Täufer-Kloster hat zwecks Lebensmittel- und Speisenangebot extra angebaut. (Foto: Tino Künzel)

Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale der Altgläubigen

Die Rogoschskaja Sloboda, ein historisches Viertel östlich des Stadtzentrums, gilt als Hochburg der Altgläubigen in Moskau. Im Schatten der goldenen Kuppeln der Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale der Altgläubigen lädt ein einstöckiger, weiß getünchter Bau zur Einkehr ein. Die Inneneinrichtung mit Holztischen, Backsteinwänden und Ikonen macht die Entscheidung zum Verweilen leicht. Das Speisenangebot ist vielfältig und reicht von Piroggen über Salate und Vorsuppen bis zu diversen Hauptgerichten. Geöffnet ist wochentags bereits ab 7, am Wochenende ab 8 Uhr, und bis 21, samstags bis 21.30 Uhr. Die Anfahrt zur Uliza Rogoschski Possjolok 29/9 erfolgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln am besten bis zur S-Bahn-Station Kalitniki. Von dort sind es sieben Minuten Fußweg.

Nowospasski-Kloster

Von wegen „Kantine“: Die Trapesnaja im Nowospasski-Kloster hat Stil. (Foto: Tino Künzel)

Für die Trapesnaja im Nowo­spasski-Kloster unweit des Moskwa-Ufers und der Metrostation Proletarskaja spricht allein schon der schöne Schein: Die riesigen Bogenfenster würden auch zu einem vornehmen Restaurant passen. Trotz Selbstbedienung ist es auch drinnen relativ gemütlich. Eine vollwertige Mahlzeit kann aus zahlreichen Optionen zusammengestellt werden. Geöffnet ist von 9 bis 20 Uhr. Bis 12 Uhr ist ein Frühstücksangebot mit allerlei Sorten von Kascha verfügbar. Die selbstgemachten Kastenbrote kosten umgerechnet etwa einen Euro.

Was darf es sein? Piroggen und Kuchen liegen zum Mitnehmen bereit. (Foto: Tino Künzel)

Tino Künzel

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