Angst vor Atommüll

Im Bereich einer geplanten Stadtautobahn im Südosten Moskaus befinden sich radioaktive Altlasten im Boden. Anwohner und Umweltschützer fürchten Gesundheitsgefahren, wenn durch die Bauarbeiten kontaminierter Staub aufgewirbelt wird. Die Stadtverwaltung beschwichtigt.

Streikposten
Aktivisten haben im Februar einen Streikposten eingerichtet. (Foto: Artjom Swetlow/ Wikimedia Commons, CC BY-SA)

Im vergangenen Oktober meldete Greenpeace Russland, dass nahe der Kaschirskoje Schosse im Südosten Moskaus erhöhte radioaktive Strahlung gemessen wurde. Die Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens TechnoTerra fanden unter anderem Thorium-232 mit einer Strahlung von 5,5 Kilobecquerel pro Kilogramm. Nach russischem Recht handelt es sich hierbei um radioaktiven Abfall.

Das Besorgniserregende an dem Fund ist, dass genau dort eine neue Schnellstraße geplant ist. Diese Südosttangente soll die Schosse Entusiastow im Osten Moskaus mit dem Autobahnring südlich der Stadt verbinden. Die Pläne sehen vor, dass die Straße nahe der Kaschirskoje Schosse parallel zur dortigen Eisenbahnlinie auf einer neuen Brücke die Moskwa queren soll. Im südwestlichen Vorfeld dieser Brücke befinden sich die gefährlichen Altlasten.

Örtliches Werk stellte Uran und Thorium her

Dass der Boden kontaminiert ist, rührt vom hier ansässigen Moskauer Polymetallwerk her. Dieses war von 1934 bis 1972 unter anderem mit der Herstellung von Uran und Thorium für die sowjetische Atom­industrie beauftragt. Abfälle von Uran- und Thoriumerzen wurden in dieser Zeit vor Ort entsorgt, am Abhang zur Moskwa sowie zwischen dem Werk und der Eisenbahnlinie. Dieses Gelände wurde mittlerweile an die Stadt Moskau verkauft.

Schon im vergangenen Frühjahr machte sich unter Umweltschützern und Anwohnern die Sorge breit, dass durch die Bauarbeiten radioaktiver Staub in die Umwelt gelangen könnte. Noch im Juli 2019 ließ das Straßenbauamt mitteilen, dass die Bereiche der Baustelle keine radioaktive Belastung aufweisen.

Die Stadtverwaltung beschwichtigt

Die von Greenpeace beauftragten Messungen bewiesen schließlich das Gegenteil. Es kam zu einzelnen Anwohnerprotesten, die von einigen Lokalpolitikern unterstützt wurden, etwa von dem Stadtduma-Abgeordneten Pawel Tarasow von der Kommunistischen Partei.

Angesichts der Unruhe sah sich Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin gezwungen zu reagieren. In einer persönlichen Stellungnahme relativierte er die Messungen nicht namentlich genannter „Aktivisten“, die „an verschiedenen Orten, in verschiedenen Tiefen, mit verschiedenen Instrumenten und Methoden“ vorgenommen worden seien und dementsprechend unterschiedliche Ergebnisse lieferten. Im tatsächlich zu bebauenden Bereich neben der Eisenbahnlinie gebe es „nur geringe Spuren“ von Strahlung. Am Hang zum Fluss hingebe es dagegen tatsächlich ernste Verschmutzungen aus Sowjetzeiten. Diese werde man bald durch das Bundesunternehmen Radon beseitigen lassen. An der Baustelle werde eine permanente Überwachung eingerichtet.

Raschid Alimow von Greenpeace reichen diese Beschwichtigungen nicht. Mit Verweis auf seine Messergebnisse sagte er, nur 200 Meter von der Baustelle entfernt gebe es Wohnhäuser und bei den Bauarbeiten könne radioaktiver Staub über beträchtliche Strecken verteilt werden. „Bei Menschen, die diesen einatmen, können schwerwiegende Gesundheitsprobleme auftreten, einschließlich eines erhöhten Krebsrisikos.“

Er begrüße zwar, dass der Bürgermeister mittlerweile die Strahlenbelastung grundsätzlich einräume, fordert jedoch weiterhin, die Bauarbeiten bis zu einer transparenten Untersuchung auszusetzen.

Unterdessen gab es im Februar weitere Proteste vor Ort.

Jiří Hönes

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