Swetlana Rykowa, 64, ehemalige Deutschlehrerin und Schulleiterin aus Moskau
Vom Programm „Moskauer Langlebigkeit“ habe ich durch Werbung in Zeitungen und auf Plakaten erfahren. Als ich dann in Rente gegangen bin, bekam ich einen Anruf von Bekannten, die hier im Freizeitzentrum arbeiten. Sie haben gefragt, ob ich nicht zu einigen Kursen kommen wolle. Ich habe natürlich ja gesagt. Seit letztem Frühling komme ich nun regelmäßig hierher.
Die Auswahl an Kursen ist groß: Sport, Tanz, Malen, Computerkurse und Englischunterricht. Es ist wie bei den Freizeitzirkeln für Kinder, nur dass jetzt dort Rentner sitzen. Und alles ist kostenlos. Man könnte theoretisch so viele verschiedene Kurse besuchen, wie man möchte. Aber das schafft man einfach nicht. Sport habe ich seit meiner Jugend nicht mehr betrieben. Als Schulleiterin blieb dafür einfach keine Zeit. Jetzt gehe ich zwei Mal die Woche zur Gymnastik.
Die Trainerin hat eine medizinische Ausbildung und achtet darauf, dass wir uns nicht wehtun. Jedes Mal machen wir etwas Neues und Interessantes. Wenn ich hier rausgehe, fühle ich mich wie neugeboren. Zuhause würde ich all diese Übungen niemals machen, da habe ich keine Lust. Hier im Freizeitzentrum ist alles gut organisiert, manchmal sogar ein wenig streng. Es ist, als wenn man zum Unterricht in die Schule kommt. Wir dürfen beispielsweise nicht zu oft fehlen, sonst droht man uns mit Rauswurf. Denn es gibt sehr viele, die zu den Kursen wollen, aber keinen Platz bekommen haben.
Aus meiner Gymnastikgruppe kannte ich vorher fast niemanden. Im Internet sind wir mittlerweile alle miteinander verbunden. Aber ich würde mit den Frauen gerne mehr unternehmen, Ausflüge oder Museumsbesuche beispielsweise. Ja, ich sage Frauen, weil es nur einen Mann bei uns gibt. Ich weiß nicht, wo die anderen Männer alle bleiben. Das ist schon ein wenig komisch.
Zusätzlich zum Sport würde ich gerne noch einen Malkurs besuchen. Mir wurde gesagt, dass sie toll sind und man eine andere Wahrnehmung bekommt. Umgang mit dem Computer möchte ich auch lernen. Einfache Sachen kriege ich schon hin, aber ich möchte lernen, wie man online alles erledigen kann, die Steuerunterlagen zum Beispiel.
Als ich noch gearbeitet habe, gab es jedes Jahr eine Vorsorgeuntersuchung. Jetzt habe ich angerufen und gefragt, wann mein Jahrgang dran ist. Als Rentner gibt es die Untersuchung nur alle drei Jahre. Aber je älter man wird, desto häufiger wird man wieder untersucht. Zwei Mal im Jahr erhalte ich eine Infusion, um die Gefäße zu stärken und den Blutdruck zu regulieren. Das ist alles kostenlos.
Ella Penner, 83, ehemalige Schuldirektorin aus Grischkowka im Deutschen Nationalkreis im Gebiet Altai
Für Rentner wird bei uns alles nur Erdenkliche getan. Im Dorf gibt es eine medizinische Station mit einem Arzt und zwei Krankenschwestern. Dort erhalten wir auch Infusionen. Wenn wir mehr brauchen, fahren nach Halbstadt in die Poliklinik. Früher habe ich ermäßigte Medikamente bekommen. Aber oft gab es bestimmte Medikamente nicht. Jetzt zahle ich für meine Medikamente lieber selbst. Einen Teil der Ausgaben übernimmt der Sozialdienst. Ich war auch bereits vier Mal im Sanatorium. Erst vor Kurzem wurde mir wieder ein Moorbad angeboten.
Es gibt auch sehr verschiedene Freizeitangebote bei uns. Viele gehen zum Sport und sind sehr zufrieden. Mein jüngerer Sohn ist dort der Leiter. Ich sage ihm immer, dass ich auch kommen will. Aber er meint, dass die Übungen für mich schon zu schwer sind. Unser Dorfvorsteher lädt regelmäßig alle Rentner zu gemütlichen Abenden im Café ein. Und einmal im Jahr kommen alle zu einem gemeinsamen Konzert und Abendessen zusammen. Denjenigen, die nicht kommen können, weil sie nicht mehr gut zu Fuß sind, wird das Essen nach Hause gebracht.
Allgemein sind die Lebensmittel in letzter Zeit immer besser geworden. Und es gibt mehr Auswahl. Es wird Obst angeboten, das es vorher nie gab. Wir essen jetzt jeden Tag Obst. Das bezahlen wir von unserer Rente. Das kann leider nicht jeder, weil es doch sehr teuer ist. Aber dennoch geht es den Menschen materiell besser als noch vor ein paar Jahren. Die Grundnahrungsmittel, die wir benötigen, wachsen in unserem Garten. Im Laden kaufen wir nur, was wir nicht selbst anbauen.
Zusammengestellt von Daniel Säwert und Olga Silantjewa
Steigerung der Lebenserwartung
In den vergangenen 15 Jahren ist die Lebenserwartung der Russen мщт 64,9 auf 73 Jahre gestiegen. Dieser Anstieg ist einer der höchsten weltweit. Anfang März erklärte Gesundheitsministerin Weronika Skworzowa die weitere Erhöhung der Lebenserwartung auf über 80 Jahre zur „nationalen Idee“. Um das Ziel zu erreichen, möchte Skworzowa die medizinische Versorgung älterer Menschen moderner gestalten. In allen 85 Regionen Russlands sollen sogenannte „Zentren für Volksgesundheit“ dafür die Programme „Gesundes Dorf“ und „Gesundes Viertel“ entwickeln. Kritiker der Idee Skworzowas bemängeln, dass das Gesundheitssystem nicht ausreichend finanziert sei, um die Idee umzusetzen, und dass es an Angeboten fehle, die den Rentnern einen Lebensinhalt bieten. Mit dem Programm „Moskauer Langlebigkeit“ wurde im Frühjahr 2018 in der Hauptstadt solch ein Angebot geschaffen, das Rentnern eine kostenlose Betätigung im sportlichen, sozialen und Bildungsbereich ermöglicht. Bisher haben rund 300 000 Rentner das Angebot wahrgenommen.