Uwe Lindner: Ein Sachse als bayerischer Botschafter

Moskau ist ein Magnet für Menschen aller Couleur, mit ungewöhnlichen Talenten, mit erstaunlicher Schaffenskraft. Die MDZ stellt sie vor - diesmal Uwe Lindner, der im Paulaner Bräuhaus sogar für den Kreml zapft.

Lindner

Manager und Vollblutwirt: Uwe Lindner hat schon in München, Japan und China gearbeitet. /Foto: Privat

Wer Uwe Lindner von hinten auf die Schulter tippt, muss mit einem harten Stoß mit dem spitzen Ellenbogen in die Rippen rechnen. Schmerzhaft gelernte Reflexabwehr. Denn vor gut zehn Jahren folgten einem vermeintlich gut gemeinten Schulterklopfen nicht weniger als 33 Messerstiche. An Kopf und Hals, in Oberkörper und Arme.

Zweimal wurde Lindner danach in der Notaufnahme für klinisch tot erklärt, bevor er wieder zum arg ramponierten Leben erwachte. Monate dauerte die Genesung. Der heute 52-Jährige war damals spätabends auf dem Nachhauseweg in Peking. Dorthin war er zum Aufbau des ersten außerdeutschen Paulaner Bräuhaus entsandt worden.

Anfänge im Kulturhaus

Als Restaurantleiter wirbelt er noch heute für den bayerischen Arbeitgeber herum. Aber nun seit bereits fünf Jahren in Moskau, inzwischen in gleich zwei Paulanern, am Paweletskij Bahnhof und am Olympijskij Prospekt. Dem deutschen Botschafter in Moskau und seinen Beamten ist Lindner wohlbekannt. Genau wie so einigen Herren aus dem Kreml, die sich von Zeit zu Zeit frisch Gezapftes kommen lassen.

Gastwirt ist Lindner aus Leidenschaft. Mehr als die Schule gefiel ihm das Ausschenken, das Kellnern und die Gästeunterhaltung im Kulturhaus von Langenhennersdorf nahe Pirna. Seinen Eltern, der Vater Futtermittelhändler, die Mutter Kauffrau, gefiel das weniger.

Von der Wende überrascht

Also hieß es erstmal einen „anständigen“ Beruf lernen, Werkzeugmacher. Er wäre gern Tierpfleger im Zoo geworden, denn schon auf dem Weg zur Schule liefen ihm die Dorfschafe nach. Kaum die Lehre abgeschlossen, wechselte er aber wieder ins geliebte Gastgeschäft. Schnell brachte er es zum Restaurant-Verantwortlichen.

Dann überraschte ihn die Wende. Davon hatte er im „Tal der Ahnungslosen“, wie seine ostsächsische Herkunftsregion wegen des dürftigen Westfernsehempfangs geschimpft wurde, eher zufällig erfahren. Rasch waren viele Freunde ausgereist – bis nach München, in den tiefen Süden der vereinigten Republik.

Gastgeber beim Maßkrugstemmen

Aus einer Stippvisite bei den Freunden wurden viele Jahre. Erst als Kurierfahrer, dann als Kellner und später Bedienungspersonalchef im Paulaner Stammhaus am Nockherberg und in Oktoberfestzelten. Ob die Oberbürgermeister in dieser Zeit, Hans-Jochen Vogel und Christian Ude, oder andere Münchner Prominenz: Uwe Lindner wurde ihr persönlicher Gastgeber beim traditionellen Maßkrugstemmen.

Noch heute ist er froh, dass zuhause Wert auf reines Hochdeutsch gelegt wurde. „Der sächsische Dialekt ist doch einfach furchtbar“, schüttelt er sich. Da klingt heutzutage eher bairische Mundart durch. Arg heimatverbunden war er sowieso nie, dafür rief die Welt zu laut.

Über Korea und Spanien nach Russland

Und er rief immer vernehmlich „ja“, als die Paulaner sowie ein nobles, weltweit vernetztes Münchner Cateringhaus ihn immer wieder als gewieften Gastronom für die Bewirtung ihrer illustren Gäste auf Olympiaden, Expos und andere hochklassige Events schickten. Das ging 2005 im japanischen Nagoya los, führte ihn über China – da hatte er auch mal Angela Merkel in Peking zum Bier am Tisch – und Korea, Spanien, Belgien nach Russland.

Uwe Lindner ist ein wahres Arbeitstier. Seine Lokale sind mehr oder weniger sein Zuhause. Immer im Stress, aber im positiven. Auch wenn sie mit bis zu 700 lauten Leuten bis in die Nacht voll sind. Nicht nur weil dann das nach dem uralten deutschen Reinheitsgebot hausgebraute Bier in Strömen fließt. Nein, auch weil er dann auf Hochtouren und bis ins Detail organisieren, kontrollieren und herumwirbeln kann.

Russisch „mangelhaft“

Seine handverlesene Bedienungsbrigade habe er voll im Griff, sagt er. Und seinen Anweisungen werde „blind“ gefolgt, weil unüberhörbar „laut und deutsch“, lacht er. Denn schon als Schüler hatte er durchgängig in Russisch die Note „mangelhaft“.

Uwe Lindner ist ein Vollblutwirt, wohin auch immer es ihn verschlagen hat. Für eine eigene Familie hatte er nie Zeit. Wenn er sich mal ein bisschen Freizeit gönnt, genießt der Gemütsmensch auch mal den Gerstensaft. Er radelt gern, entdeckt immer wieder Neues und findet die Hauptstadt „wunderschön“. Hier ist er angekommen.

Lindner

Nicht nur beim Oktoberfest: Lindner beherrscht das Anzapfen. /Foto: Privat

Auf seiner Facebook-Seite steht unter „studiert“: Schule des Lebens. Und der schockierende Einschnitt in China war eine beinharte Lektion. Große Zukunftspläne schmiedet er seitdem nicht mehr. Zu schnell könnte alles vorbei sein. „Da lebe ich doch lieber im Hier und Heute“, resümiert er ganz zufrieden. Mit sich und seinem Moskau.

Frank Ebbecke

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