Wenn die ganze Stadt dein Atelier ist. Wer Nowosibirsk in diesem Jahr schmückt

Der Dezember ist eine heiße Zeit für Roman Stenhauer. Die Neujahrs­tannen in ganz Sibirien warten, dass er sie schmückt, denn Roman ist ein bekannter Florist und Dekorateur. Aber in diesem Jahr hat er noch mehr Arbeit als sonst, denn seine Stadt Nowosibirsk wurde in diesem Jahr zur Neujahrshauptstadt Russlands gewählt.

Roman Stenhauer hält eine Schneeflocke, das Symbol für Neujahr in Nowosibirsk (Foto: Privat)


Es ist früher Morgen, 10 Grad Frost, Roman Stenhauer steigt auf einer ausfahrbaren Leiter an der riesigen Neujahrstanne am Nowosibirsker Opern-und Balletttheater hoch. Das ist die Haupttanne der Stadt.

Das Jahr 2022 sollte für Roman und sein Team erfolgversprechend werden. Stenhauer gehört zu denen, die die Stadtverwaltung überredeten, sich für die Wahl zur Neujahrshauptstadt anzumelden. Das ist ein Projekt des Kultusministeriums Russlands. Es ist eine Marketing-Aktion, um Touristen anzulocken. Seit 2013 tragen verschiedene russische Städte abwechselnd diesen Ehrentitel und veranstalten verschiedene Events: Jahrmärkte, Shows. Den Stadtbewohnern und Gästen bringt es Freude, den Unternehmern Umsatz, der Stadtkasse Steuern von den Hotels, Restaurants und Geschäften. Nowosibirsk hatte das Auswahlverfahren gewonnen, das Budget für Kulturveranstaltungen und Dekoration war beschlossen, aber dann kam der 24. Februar. „Wir hofften, dass wir viel Arbeit haben werden. Die gibt es natürlich, aber nicht in dem Umfang, den wir erwartet hatten“, sagt Roman. Ein Teil der Veranstaltungen, für die Stenhauer und sein Team die Dekoration machen sollten, wurde gestrichen.

Auch andere Projekte, an denen Roman im Laufe des Jahres vorhatte teilzunehmen, fielen ins Wasser: „Ich sollte zu einem Wettbewerb nach Spanien fahren, aber mir wurde abgesagt. Ich habe dort viele Freunde, aber sie sagen, Roman, wir lieben dich, aber wenn du jetzt hierherkommst, wäre das merkwürdig. Meine Bewerbung für die Weltmeisterschaft der Floristen in England 2023 wurde abgelehnt. Sie schrieben mir, wenn sich die Situation ändert, melden sie sich.“ Zu den unangenehmen Veränderungen zählt auch, dass das Material teurer geworden ist und einige Pflanzen nicht mehr zu kriegen sind. „Jetzt gibt es ein Verbot für die Einfuhr von Topfpflanzen nach Russland. Die Lieferanten bringen sie auf Umwegen ins Land. Und das kostet natürlich mehr, aber alles ist lösbar. Gibt es die eine Pflanze nicht, nehmen wir eine andere“, sagt Stenhauer.

Jetzt hat er aber keine Zeit, traurig zu sein. Nowosibirsk befindet sich in der aktiven Phase der Neujahrsvorbereitungen. Jeden Tag kommen neue Neujahrstannen hinzu, die Roman zu schmücken hat. In den Parks und auf den Straßen gehen die Lichter an, die auch das Team Stenhauers einschaltet. Sie installieren Beleuchtungssysteme. „In diesem Jahr ist die Stadt geschmückt wie nie zuvor. Eine unserer Hauptstraßen ähnelt sogar der Moskauer Nikolskaja Straße, sie ist auch über und über mit Girlanden geschmückt“, erzählt Roman.

„Ich habe einen Spitznamen – der Kugelverteiler. Es gab in den sozialen Netzen eine Veröffentlichung, wie ein Mann mit einer roten Mütze auf einer Hebebühne festlegte, wo die Weihnachtskugeln aufgehängt werden sollen. Jetzt nennen mich meine Mitarbeiterinnen Kugelverteiler.“ Roman wird bis zum Anschlag, also bis zum 31. Dezember, arbeiten müssen, vielleicht sogar die ganzen Neujahrsferien. „Zu Hause schmücke ich die Neujahrstanne gewöhnlich im allerletzten Moment. Im vorigen Jahr habe ich sie sogar erst am 1. Januar angeputzt. Sie steht seitdem noch bei mir, wie in den zahlreichen Witzen. Ich habe sie beschnitten, an der Wand angebracht und von Neuem geschmückt“.

Ljubawa Winokurowa

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