Was das Ergebnis der Duma-Wahl für die Wirtschaft bedeutet

Die MDZ-Kolumne der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, geschrieben von Matthias Schepp.

Matthias Schepp, Vorstands­vorsitzender

Matthias Schepp, Vorstands­vorsitzender

Der Ausgang der Duma-Wahlen markiert einen gewaltigen taktischen Sieg Wladimir Putins. Hinter den Kremlmauern und nicht nur dort wird er als gelungener Probelauf für die Präsidentenwahlen gewertet.  Er ist aber kein nachhaltiger strategischer Erfolg.

Aufgeschreckt durch die Moskauer Massenproteste gegen Fälschungen und Manipulationen bei der Wahl 2011, hatte der Kreml das Wahlsystem geändert und wieder Direktmandate zugelassen, über die diesmal die Hälfte der Parlamentssitze vergeben wurden. Das kam demokratischer daher, wurde von der außerparlamentarischen Opposition begrüßt, führte im Ergebnis aber zur verfassungsändernden Mehrheit für „Einiges Russland“. Die Regierungspartei eroberte aufgrund ihrer Personal-, Geld- und Strippenzieher-Ressourcen 203 der 225 Direktmandate.

Mit insgesamt 343 von 450 Sitzen errang „Einiges Russland“ nicht nur die absolute, sondern die Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze, die es Präsident Putin erlaubt, die Verfassung gleichsam auf Knopfdruck zu ändern, wenn er dies möchte. Die handzahmen, weiter im Parlament vertretenen Oppositionsparteien haben insgesamt kräftig an Stimmen verloren. Ihr Einfluss schwindet weiter. „Gerechtes Russland“ schrumpfte von 13,2 Prozent um mehr als die Hälfte auf 6,22 Prozent. Die Kommunisten (13,34 Prozent) und die nationalistische LDPR (13,14 Prozent) haben mit Gennadi Sjuganow, 72, und Wladimir Schirinowski, 70, Parteiführer, die immer mehr an die Gerontokraten des Politbüros unter Leonid Breschnew erinnern.

Kein einziger Kandidat der außerparlamentarischen Opposition errang einen Sitz. Das liberale Lager erlitt aufs Neue eine krachende Niederlage und kann sich allenfalls damit trösten, in Moskau, St. Petersburg und anderen Millionenstädten eine nennenswerte zweistellige Anzahl von Stimmen erhalten zu haben. Die Wahlbeteiligung war mit 47,88 Prozent gering (Bundestagswahl 2013: 71,5 Prozent). Die Wähler blieben aus drei Gründen zu Hause:

  • weil sie mit den Verhältnissen im Großen und Ganzen zufrieden sind
  • weil sie nicht daran glauben, dass ihre Stimme irgendetwas ­verändern kann
  • und weil es im kremlkritischen, liberalen Lager keine überzeugende Alternative gab.

Anders als im Nachklapp der Parlamentswahlen 2011 gab es diesmal keine Massenproteste. Der Erfolg des Kreml beruht auf vier Faktoren:

  • tatsächlichen Leistungender Regierung
  • Propaganda und Selbstdarstellung in den mehrheitlich staatlich kontrollierten Medien
  • zügige Reaktionen auf punktuelle Unzufriedenheit im Volk
  • Verschärfung des autoritären Kurses: höherer Druck auf NGOs; weitere Knebelung der wenigen kritischen Medien; restriktive Internet-Gesetze.

Wirtschaftspolitisch bedeutet der Ausgang der Duma-Wahlen Mehr-Vom-Gleichen. Die Wahrscheinlichkeit eines Worst-Case-Szenarios veranschlage ich auf 15 Prozent. Demnach würde Putin unter dem Eindruck schlechter Wirtschaftsdaten und westlichen Drucks dem Drängen der Kreml-Falken nach einer härteren Konfrontation mit dem Westen und einer stärkeren Hinwendung zur Staatswirtschaft nachgeben. Die Chancen für ein Best-Case-Szenario sehe ich bei zehn Prozent. Demnach würde Putin einen neuen liberalen Premierminister, vorzugsweise den auch im Westen angesehenen Ex-Finanzminister Alexej Kudrin, mit tiefgreifenden Wirtschaftsreformen beauftragen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit (75 Prozent) wird Putin das Durchwursteln der vergangenen Jahre fortsetzen und die verschiedenen Lager und Clans in bewährter Weise ausbalancieren.

Das bringt kurz- und mittelfristig Stabilität. Eine Lösung für die grundlegenden Probleme wie Korruption, Rechtsunsicherheit und das Aushöhlen demokratischer Institutionen ist wenig wahrscheinlich.

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