Unbequeme Antworten im Interview mit dem Botschafter Lambsdorff

Am 5. Mai 2025 erschien auf der Webseite der deutschen diplomatischen Vertretung in Moskau ein Interview mit Botschafter Alexander Graf Lambsdorff. Nichts Überraschendes: Die deutsche Botschaft veröffentlicht regelmäßig Interviews und Reden ihres Leiters. Aber diese Publikation unterscheidet sich von anderen. Warum? Und was empfiehlt das russische Außenministerium russischen Journalisten, wenn sie sich auf solche Gespräche vorbereiten wollen?

Der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff (Foto: Jaroslaw Tschingajew/AGN Moskwa)

Dem Interview mit Botschafter Alexander Graf Lambsdorff, das auf der Webseite der deutschen Botschaft in Moskau veröffentlicht wurde, ist der folgende Text vorangestellt: „Ein russisches Medium interviewte vergangene Woche Botschafter Graf Lambsdorff – und entschied sich dann, das Interview nicht zu veröffentlichen. Wir bedauern das.“

Das Gesagte geht nicht immer in den Druck

Es kommt vor, dass ein vorbereitetes Interview oder anderes geplantes Material nicht in einer Zeitung oder auf einer Webseite landet. Ein Korrespondent interviewt eine Person, die dann aber aus irgendeinem Grund darum bittet, es nicht zu veröffentlichen. Aber ein Interview mit einem Botschafter ist natürlich etwas anderes, weil ein Diplomat eine öffentliche Person ist. Im konkreten Fall mit dem deutschen Botschafter ist es klar, dass er überhaupt nicht bedauert, was er in dem Interview gesagt hat. Im Gegenteil: Er hat es in einer ihm zur Verfügung stehenden Quelle veröffentlicht. Ein namentlich nicht genanntes Medium hat aus internen Gründen von einer Veröffentlichung abgesehen.

Klingt erschreckend

Man kann nur vermuten, was die Journalisten dazu gebracht hat, auf die Bremse zu treten. Eine der Erklärungen besteht darin, wie der deutsche Diplomat auf die vorsichtigen Fragen eines Reporters antwortete. Nach der Frage, welchen Ausweg aus dem aktuellen Konflikt in der Ukraine Deutschland sieht, bot der Botschafter an, den Wortlaut zu präzisieren: „Hier ist es erst einmal wichtig, den richtigen Begriff zu verwenden. Eine Krise oder einen Konflikt gibt es zwischen vielen Ländern. Was wir in der Ukraine haben, ist ein Krieg.“

Keiner kann behaupten, dass diese Formulierung unerwartet war. Auf jeden Fall ist der Botschafter ein Vertreter der politischen Linie seines Staates, und die deutsche Position war lange vor dem Interview bekannt. Wenn ein Journalist Angst hat, unbequeme Antworten zu hören, sollte er überlegen, ob es notwendig ist, Fragen zu stellen.

Nicht zum ersten Mal

So ging es im Interview weiter. Auf die Frage, welche Schritte die Spannungen zwischen Russland und der NATO abbauen können, verwies der deutsche Botschafter auf den Aufruf des russischen Außenministers Lawrow, über die Grundursachen des Konflikts zu sprechen. Alexander Graf Lambsdorff schätzt die Situation jedoch wie folgt ein: Russland habe sich „bisher nicht bereit erklärt, zu akzeptieren, dass die Länder, die aus dem Untergang der Sowjetunion entstanden sind, eine eigene nationale Identität, Kultur und Geschichte haben“. Jedes Land habe das Recht auf territoriale Integrität und „das Recht, sich seine Freunde auszusuchen und nach seiner eigenen souveränen Entscheidung Allianzen beizutreten“.

Solche Äußerungen sind vielleicht härter als das, was der deutsche Botschafter im Interview mit RBC im November 2022 gesagt hat. Aber man kann an der Stelle das bereits Bekannte wiederholen: Der Botschafter präsentiert die staatliche politische Linie, und sie ist mit dem Regierungswechsel in Deutschland nicht milder geworden.

Diplomaten empfehlen

Wie man damit umgehen muss, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa auf Telegram. Sie sagte, es sei notwendig, sich besser auf Gespräche mit „Vertretern unfreundlicher Regime“ vorzubereiten. Sacharowa sprach von einem „funktionierenden Schema“, bei dem „Journalisten den Botschaftern zu gefallen scheinen, indem sie deren Wachsamkeit und Intelligenz entspannen und abstumpfen“‚ und Mitarbeiter des Außenministeriums anschließend „hinausgehen und alle ans Licht bringen.“ Interessant. Es widerspricht ein wenig der klassischen Vorstellung über die Aufgabe der Journalisten, die darin besteht, im Interesse des Lesers und nicht des Ministeriums zu arbeiten. Aber wer achtet heute noch auf solche Dinge?

Igor Beresin

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