Aus zweiter Hand: Wo sich Moskaus tollster Trödel versteckt

Zwischen Ramsch und Raritäten: Flohmärkte wecken in uns den Jäger-Sammler-Instinkt. In Moskau haben Kunst und Krempel einen ganz besonderen angestammten, aber noch fast geheimen, Platz.

Ordnung im Chaos auf der Moskauer „Svalka“ / Paul Krisai

Der Weg zu dem angesagtesten Trödelmarkt Moskaus führt durch einen dunklen Koloss aus Sovietzeiten. „Ihre Ausweisdokumente, bitte!“, sagt ein Mann in blauer Uniform lakonisch. Ich zeige meinen Pass und kann auf das Gelände, das von roten Backsteinfassaden, Schornsteinen und schweren Gerüsten umgeben ist. „Ruhm dem sowjetischen Volk!“, prangt die Botschaft in vergilbter Farbe, wenn man die Halle betritt, in der sich das Flohmarkt-Projekt „Svalka“ befindet. In dem Industrieareal „NIIDAR“, auch bekannt als „Werk Nr. 37“, stellte man bis zum Zweiten Weltkrieg Panzerfahrzeuge her. Nach dem Krieg beherbergte es ein geheimes Institut für Radartechnik. Heute ist es eine Spielwiese für Kreative, Künstler und Designer.

Ein Trödelmarkt wie ein Moskauer „Wunderland“ / Paul Krisai

Jeden Mittwoch und Samstag öffnet die „Svalka“ ihre Türen. Dahinter verbirgt sich eine nicht weniger bunte Welt als in „Alice im Wunderland“. Gleich in der Mitte des Raumes ragt ein altes Karussell mit rosafarbenen Ponys hervor. Mit bunten Lichtern und Lametta verziert, befindet sich dort allerhand Kurioses: Akkordeons, Schnurtelefone oder alte Thermosflaschen. Statt Chaos, herrscht hier Ordnung. Kunst und Krempel werden nach Kategorien sortiert. Trotz dieses Navigationssystems kann man auf der „Baracholka“ den ganzen Tag verbringen und scheinbar unendlich viele Schätze entdecken.

Was nach einem von vielen hippen Szene-Orten aussieht, stellt sich als generationsübergreifendes Phänomen heraus. „Ich habe erwartet, dass nur junge Hipster kommen. Doch es sind auch Rentner da. „Es ist ein buntes Publikum“, sagt Egor. Der Student sortiert Bücher, die jeden Tag kiloweise geliefert werden. „Es geht erstaunlich viel weg. Selbst alte schnulzige Detektivromane“, lacht er. Und darum gehe es schließlich, man soll Spaß haben und alten Gegenständen ein neues Zuhause geben.

Das dachten sich auch die Gründer Alexej Barinskij und seine Ehefrau Irina. Als sie aus ihrer früheren Einzimmerwohnung auszogen, bemerkten sie, wie viel sich über die Jahre angesammelt hatte. Den Verkauf der alten Sachen schätzten sie auf 10 000 Rubel, umgerechnet rund 165 Euro. Am Ende waren es 80 000 Rubel. „Achtmal mehr als wir am Anfang wollten“, erinnert sich Alexej. „Hierin steckt also eine geniale Geschäftsidee.“

Second-Hand-„Patriotismus“ unter den Verkaufsstücken / Paul Krisai

Das „Svalka“-Team holt alten Krempel direkt bei den Menschen ab. Für diesen Service würde man üblicherweise Geld bezahlen. Aber hier machen sie das kostenfrei und geben für den Trödel sogar kleine Prämien. Und das Angebot kommt gut an. Wie die Gründer berichten, steht ihr Telefon kaum mehr still.

Doch nicht nur auf dem Flohmarkt verkaufen sie das, was die meisten von uns wohl als Ramsch bezeichnen würden. Sie beliefern auch Second-Hand-Läden, Antiquariate und unterhalten einen eigenen Web-Shop, wo sie besondere Raritäten verkaufen.

Und was die Barinskijs am Ende doch nicht loswerden, zertrümmern letztlich stressgeplagte Moskowiter. Ausgerüstet mit einem Vorschlaghammer kann man im Trash-Raum „Debosch“ nebenan seinen Aggressionen freien Lauf lassen und alles kurz und klein schlagen.

Und bei alldem tut der Ramschkunde und Kramwühler auch noch etwas Gutes: „Wir wollten nicht als Hehler bezichtigt werden. Deshalb gehen 70 Prozent unserer Gewinne an ein Wohltätigkeitsprojekt“, so Irina. Am Ende haben alle etwas davon: mehr Platz, mehr Spaß und mehr Zeug.

 

Von Katharina Lindt

 

„Baracholka“ und „Svalka“ 

1. Buchwostowa 12/11, K. 53

Metro Preobraschenskaja Ploschad 

(495) 120 11 14 

www.svalka.me

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