Preiswert durch Moskau: Ein Wegweiser für das Tarifsystem

Wahrscheinlich haben Sie es schon gehört: Moskau ist eine Stadt von enormen Ausmaßen. Zum Glück gibt es ein Nahverkehrsnetz, das kaum Wünsche offen lässt und die Menschen von A nach B bringt – für relativ kleines Geld. Welche Tarife sich für wen eignen, lesen Sie hier.

„Trumpfkarte“ für den Moskauer Nahverkehr: Mit der „Troika“-Karte anstelle eines herkömmlichen Fahrscheins wird die Benutzung noch bequemer. © Tino Künzel

Die Welt ist groß. Leistungsfähige Nahverkehrssysteme gibt es an zahlreichen Orten. Preisgünstige auch. Aber in den seltensten Fällen kommt beides zusammen. Moskau ist so ein seltener Fall von sowohl als auch. Das Preis-Leistungs-Verhältnis des ober- und unterirdischen Nahverkehrs in Russlands Hauptstadt kann nur als überragend bezeichnet werden.

Allein schon die Dimensionen sind beeindruckend. Die Metro befördert am Tag durchschnittlich acht Millionen Menschen, was fast der Einwohnerzahl der Schweiz entspricht. Dazu kommen Busse, Trolleybusse und Straßenbahnen mit zusammen rund sieben Millionen Fahrgästen täglich auf nahezu 1000 Strecken.

Doch nicht nur quantitativ, auch qualitativ kann sich der Moskauer Nahverkehr sehen lassen: Er ist gut organisiert, in den letzten Jahren kräftig ausgebaut und modernisiert worden und dabei im internationalen Vergleich immer noch unverschämt preiswert. Auf die Tarife wollen wir an dieser Stelle etwas ausführlicher eingehen.

Auch bei den Fahrscheinen hat in jüngster Vergangenheit eine kleine Revolution stattgefunden. 2013 wurde die sogenannte „Troika“-Karte eingeführt, die seitdem Papiertickets fast verdrängt hat. Nach Angaben der Stadt wird sie heute von 90 Prozent aller Fahrgäste genutzt. Das Prinzip ist simpel: Die Karte wird mit einem beliebigen Geldbetrag bis 3000 Rubel aufgeladen und kann danach je nach gewähltem Tarif verwendet werden. Wer in Moskau nicht nur auf der Durchreise ist, tut gut daran, sich gleich bei der Ankunft auf dem Flughafen – an der Kasse des „Aeroexpress“ – oder vor der ersten Metrofahrt an der Kasse der betreffenden Station eine solche „Trumpfkarte“ zu besorgen. Sie kostet 50 Rubel (umgerechnet 0,65 Euro) Pfand, die bei späterer unbeschadeter Rückgabe sogar erstattet werden.

Kartenlesegerät in einem Moskauer Stadtbus © Tino Künzel

Das Tarifsystem selbst ist äußerst übersichtlich, zumal es bisher dankenswerterweise ohne „Kurzstrecken“ und „Zonen“ auskommt (eine eigene Tarifzone sind nur die entlegensten Stadtbezirke Selenogrod und Troizk), die Ortsfremden anderswo die Orientierung erschweren. Besonders profitieren davon die Fahrgäste der Metro: Wer am Eingang einmal sein Ticket entwertet hat, der kann so lange und so weit fahren, wie er will, im Zweifelsfall auch einen ganzen Tag im „Bauch“ von Moskau zubringen oder überirdisch in den Lastotschka-Zügen auf dem Moskauer Zentralring, der formal zum Metronetz gehört.

Es gibt vier Basistarife.

  • Einzelticket für ein oder zwei Fahrten zum Preis von 55 bzw. 110 Rubel (0,73/1,46 Euro). Vorteil: Wer in Moskau tatsächlich nur ausnahmsweise den öffentlichen Nahverkehr in Anspruch nimmt – zum Beispiel beim Umsteigen zwischen zwei Zügen mit Wechsel des Bahnhofs – und also keinen Sammeltarif braucht, der kommt für ein moderates Sümmchen ans Ziel. Der Einzelfahrschein kann in Bus und Bahn auch beim Fahrer erworben werden. Nachteil: Das ist die mit Abstand teuerste Option für eine Fahrt. Das Rathaus bemüht sich seit längerem, Einheimischen und Besuchern den Kauf von Einzelfahrscheinen abzugewöhnen. Mit Erfolg: Die notorischen Schlangen vor den Metro-Kassen sind inzwischen fast gänzlich verschwunden.
  • Sammelfahrschein für 60 Fahrten zum Preis von 1900 Rubel (25,30 Euro). Vorteil: Pro Fahrt werden weniger als 32 Rubel fällig, was eine der günstigsten Optionen ist. Nachteil: Im Unterschied zu anderen Optionen wird jede einzelne Fahrt berechnet. Und die Gültigkeitsdauer wurde unlängst von 90 auf 45 Tage halbiert. Wer also den Nahverkehr mit häufigen und/oder längeren Unterbrechungen nutzt, riskiert, dass Fahrten verfallen.
  • „Koscheljok“ (Geldbörse) ist der Universaltarif für die „Troika“-Karte. Vorteil: Eine Fahrt kostet 38 Rubel (0,50 Euro), aber nicht jede Fahrt! Wer innerhalb von 90 Minuten im überirdischen oder zwischen dem über- und unterirdischen Verkehr umsteigt (in der Metro ist das Umsteigen natürlich kostenlos), der zahlt für die zweite Fahrt nur 21 Rubel und für jede weitere Fahrt überhaupt nichts. Mit anderen Worten: Im Zeitraum von 90 Minuten kann man für 59 Rubel (0,78 Euro) so oft umsteigen, wie man will. Wenn das kein Schnäppchen ist! Der Bonus besteht darin, dass man sich nicht vornherein für einen 90-Minuten-Tarif entscheiden muss und damit eventuell draufzahlt, wenn man am Ende vielleicht doch nur eine Fahrt antritt, sondern der Tarif automatisch beim Umsteigen aktiviert wird. Auf den Kartenlesegeräten kann man sehen, dass für die erste Fahrt immer 38 Rubel abgebucht werden und für eine etwaige zweite 21 Rubel, während bei weiteren kein Betrag angezeigt wird, sondern nur das Wort „Umstieg“ aufleuchtet. Nachteil: Der 90-Minuten-Tarif wendet sich in erster Linie an Menschen, die morgens zur Arbeit fahren und abends wieder zurück, also zweimal am Tag die Metro benutzen und vielleicht noch Anschlussbus- oder Straßenbahnlinien. Für die 59 Rubel kann man zwar beliebig oft zwischen oberirdischen Verkehrsmitteln hin- und herwechseln, allerdings ist jeweils nur eine Fahrt mit der Metro inbegriffen. Die nächste kostet wieder 38 Rubel, selbst wenn sie innerhalb der 90 Minuten erfolgt.
  • Für Vielfahrer, die zum Beispiel auch am Wochenende mit der Metro unterwegs sind, lohnt sich der All-inklusive-Tarif „Beslimitnyj“. Vorteil: Die Zeitkarten für unbegrenzt viele Fahrten im Moskauer Nahverkehrsnetz gibt es für einen Tag, drei Tage, einen Monat, drei Monate und ein Jahr. Attraktiv sind sie damit nicht nur für Ortsansässige, sondern auch für Auswärtige, die Moskau einen kurzen Besuch abstatten, wie etwa Touristen auf Erkundungstour in der Stadt. Eine Tageskarte ist bereits für 230 Rubel zu haben, gut drei Euro, bei drei Tagen sind es 438 Rubel, also 5,75 Euro – ein unschlagbares Angebot. Umso länger der Zeitraum, desto günstiger das Ticket. Einer unserer Redakteure hat sich für die Drei-Monats-Karte für 5430 Rubel (72,40 Euro) entschieden und ist wunschlos glücklich damit. Andere sind es offenbar auch. Nach amtlichen Informationen sind bereits mehr als die Hälfte aller Fahrgäste des Moskauer Nahverkehrs im Besitz einer Zeitkarte. Nachteil: Bei längerer Abwesenheit von Moskau rechnet sich die vergleichsweise hohe Anfangsinvestition möglicherweise nicht. Immerhin kostet eine Jahreskarte  19.500 Rubel (260 Euro). Zu beachten ist auch, dass die Zeitkarte natürlich nur vom Inhaber benutzt werden soll. Um zu verhindern, dass dieser noch weiteren Personen den Zutritt zur Metro ermöglicht (wo es keine Fahrscheinkontrollen gibt), kann das Ticket nach Öffnung der Zugangssperre erst nach 20 Minuten wieder für denselben Vorgang verwendet werden. Als Nachteil für den eigentlichen Besitzer kann das aber kaum bezeichnet werden.

Tino Künzel    

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