Russlands neue Pläne im Kampf gegen den Klimawandel

Laut Regierung absorbieren Russlands Wälder den gesamten CO2-Ausstoß des Landes. Doch Experten zweifeln die Rechnung an. Welche Karten hat der russische Staat in puncto Klimawandel also sonst noch auf der Hand?

Eine Fabrik in Russland, die bereits jetzt nur sauberen Wasserdampf ausstößt.
In Zukunft sollen Russlands Produktionsstätten vermehrt auf saubere Energieträger bauen. (ecologyofrussia.ru)

Insgesamt 8,1 Millionen Quadratkilometer beträgt die Waldfläche auf russischem Boden, mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Die riesige Fotosynthesemaschine ist eine zentrale Waffe des Landes im Kampf gegen den Klimawandel. Und sie funktioniert hervorragend – zumindest laut staatlichen Vertretern. Deren simpler Rechnung zufolge ist Russland schon heute CO2-neutral. Jährlich werden im ganzen Land 2,2 Millionen Tonnen des Treibhausgases ausgestoßen. Doch angeblich waschen die weitläufigen Waldgebiete mit ihrem Fassungsvermögen von 2,5 Millionen Tonnen die Luft wieder rein. In der „Moscow Times“ äußerte Aleksej Jaroschenko von Greenpeace jedoch jüngst Zweifel: „Es ist schwer zu sagen, wie hoch die Zahl ist, aber sicher nicht 2,5 Millionen“.

Russland steht mit seinem CO2-Verbrauch laut World Resources Institute im globalen Vergleich an vierter Stelle. Der Einsatz des Landes im Kampf gegen den Klimawandel ist also entscheidend. Und tatsächlich tut sich etwas. „Im vergangenen Jahr war die russische Klimapolitik so aktiv wie nie zuvor“, meint Ilja Stepanow, stellvertretender Leiter des Labors für Ökonomie des Klimawandels an der Higher School of Economics in Moskau. Doch mit welchen Projekten will Russland im Kampf gegen den Klimawandel auftrumpfen?

Russlands Aufforstungsplan

Das Fotosynthesevermögen des russischen Waldes ist nur nutzbar, wenn nicht zu viel Waldfläche verloren geht. Deshalb hat der Staat eine Zielsetzung zur Erhaltung der Wälder ausgerufen. Die jährlich aufgeforstete Fläche soll ab 2024 genauso groß sein, wie die im gleichen Zeitraum abgeholzte Fläche. In Baumschulen auf Sachalin zum Beispiel wurden dafür bereits 8,3 Millionen Fichten- und Lärchensetzlinge herangezogen.

Noch bis 2031 sollen jährlich 40 Millionen mehr Bäume gepflanzt werden als aktuell vorgesehen, meinte zudem die stellvertretende Premierministerin Viktoria Abramtschenko gegenüber der Nachrichtenagentur TASS. Vor zwei Jahren holte der Staat auch die neuen Technologien mit ins Boot. In den Forstparks des Landes wurde eine Umrüstung auf Spezialgeräte zur Früherkennung von Waldbränden gestartet. Doch für Waldbereiche, die nicht bewirtschaftet werden, bestehen keine derartigen Schutzmaßnahmen. Und das Projekt hat einen weiteren Haken. Der Staat legt einen Großteil der Aufforstungsarbeit in die Hände von Unternehmen. Ob er genug Druck auf sie ausüben kann und will, um sie zur Umsetzung der Ziele zu bewegen, bleibt abzuwarten.

Sachalin: 2025 klimaneutral?

Seit Anfang Dezember konkretisiert sich ein Gesetzesvorhaben zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen in bestimmten Regionen des Landes. Demnach soll die Insel Sachalin im Fernen Osten Russlands bis 2025 C02-neutral werden. Dazu werden laut Plan 145 Kohleheizungssysteme auf Gas umgebaut. In vier Jahren sollen 50 Prozent mehr Fahrzeuge mit Gas- oder Elektroantrieb auf der Insel verkehren. Wasserstoffcluster, also Industriegebiete zur Wasserstoffproduktion, sollen entstehen und erneuerbare Energien ausgebaut werden. In welcher Menge wird nicht angegeben.

Doch trotz der Ungewissheiten ordnet Experte Stepanow den Erfolg des Projekts als wahrscheinlich ein. „90 Prozent der Emissionen Sachalins werden bereits alleine durch Wälder absorbiert. Also will die Region die Emissionen um 10 Prozent reduzieren.“ Auch das sei „keine einfache Aufgabe, doch in Anbetracht der Pläne zum massiven Ausbau der Gasenergie in der Region realistisch“, so die Meinung des Fachmanns.

Umschwung auf Wasserstoffenergie?

Am 1. Dezember verabschiedete der Energiekonzern Gazprom eine Roadmap zum Ausbau von Wasserstoffenergie. Im ersten Schritt, den die Regierung schon im August absegnete, sollen binnen dreieinhalb Jahren neue Wasserstoffcluster gebildet werden. In Stufe zwei sollen bis 2035 exportorientierte Produktionsstätten entstehen. Zum Jahr 2050 sollen Wasserstofftechnologien in verschiedene Wirtschaftssektoren Eingang finden. Bereiche wie Chemieindustrie, kommunale Dienstleistungen und Wohnen sollen in Zukunft verstärkt darauf bauen.

Im selben Jahr will Russland zu einem der größten Exporteure aufsteigen. Jährlich sollen dann 15 Millionen Tonnen des sauberen Energieträgers ins Ausland fließen. Einen wunden Punkt des Mammutprojekts sieht die russische Fachzeitschrift für Energiewirtschaft „Neftegas“ im Transport. Spezielle Wasserstoff-Pipelines zu bauen, rentiere sich finanziell nicht. Und bestehende Pipelines müssten umgerüstet werden, um das Gas zu transportieren, so das Magazin.

Fazit

Die Projekte haben vielversprechende Ansätze, werfen aber Fragen auf. Während der Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Öl und Gas voraussichtlich abflauen wird und die EU eine Importgebühr für kohlenstoffintensive Produkte plant, sieht Experte Stepanow zu diesem Zeitpunkt noch keine komplexe und ausgewogene Strategie, welche die Folgen des Klimawandels abmindert und Russland wirtschaftlich voranbringt. Dabei muss schnell gehandelt werden. Denn das Klima wartet nicht.

Emil Hermann

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