
„The Art Newspaper“, eine Online- und Printpublikation, die über die internationale Kunstwelt berichtet, hat eine Liste mit den hundert meistbesuchten Museen der Welt im Jahre 2024 erstellt. Darunter finden sich auch erwartungsgemäß die bekanntesten russischen Museen wie das Staatliche Russische Museum (3 611 899 Besucher), das Eremitage-Museum (3 563 590 Besucher), die sich beide in St. Petersburg befinden und den 11. und 12.Platz im Ranking belegen, das Puschkin-Museum der Bildenden Künste (1 551 628 Besucher und 45. Platz) und die Kreml-Museen (1 214 851 Besucher und 66. Platz) in Moskau.
Russische Museen überholen europäische
Die Medien schreiben hierzu, dass russische Museen zwar einen Rückgang der Besucherzahlen verzeichnet hätten, weil die Kampfhandlungen in der Ukraine zur Einstellung vieler Flugverbindungen in den Westen geführt haben. Im Jahr 2024 könne man jedoch eine „langsame, aber stetige Rückkehr zu den früheren Besucherzahlen“ gegenüber dem Jahr 2019 sehen. Angemerkt wird, dass etwa die beiden Museen in St. Petersburg besser als viele Londoner Museen im Ranking dastehen würden.
Bemerkenswert ist wohl das Erscheinen eines fünften russischen Museums in der weltweiten Liste, nämlich des erst 2021 eröffneten modernen Kulturzentrums GES-2. Dieses sicherte sich den 81. Platz. 1 001 019 Menschen sollen den Ort der Statistik zufolge 2024 besucht haben.
Symbol des kulturellen Wandels
Das Bauwerk von GES-2, das sowohl die industrielle Vergangenheit als auch die kulturelle Zukunft Russlands symbolisiert, erhebt sich mitten im Herzen Moskaus, wenige Schritte vom Kreml und dem Roten Platz entfernt. Ursprünglich ein Elektrizitätswerk, wurde das Gebäude zu einem wichtigen Ausstellungs- und Bildungszentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur umgestaltet.
Der Umbau des ehemaligen Kraftwerks zu einer multidisziplinären Kulturinstitution markiert einen der bedeutendsten städtebaulichen und kulturellen Transformationsprozesse in Moskau in den letzten Jahrzehnten.

Von Industrie zur Kunst
GES-2 wurde 1907 bis 1908 nach einem Entwurf des russischen Ingenieurs Wassili Baschkirow errichtet und versorgte Jahrzehnte lang das Moskauer Stadtzentrum mit Strom. Der monumentale Bau mit seiner neoklassizistischen Fassade und den ikonischen Schornsteinen stand exemplarisch für den Aufbruch in das industrielle Zeitalter des frühen 20. Jahrhunderts in Russland.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion verlor GES-2 seine ursprüngliche Funktion. Das Gebäude verfiel zunehmend, bis es schließlich 2014 von der Kulturstiftung V-A-C erworben wurde. Das Ziel war, aus dem Industriekomplex ein Zentrum für zeitgenössische Kunst zu machen, das internationales Niveau erreicht.
Flexibel gestaltet
Für den architektonischen Umbau von GES-2 wurde der italienische Stararchitekt Renzo Piano verpflichtet, bekannt unter anderem für das Centre Pompidou in Paris oder das Whitney Museum in New York. Seine Vision für GES-2 war es, die industrielle Substanz des Gebäudes zu erhalten, sich aber gleichzeitig mit aktuellen gesellschaftlichen, technologischen und künstlerischen Themen auseinanderzusetzen.
Die Ausstellungsräume sind flexibel gestaltet, um unterschiedliche Kunstformen wie Malerei, Skulptur, Multimedia-Installationen und digitale Kunst zu präsentieren.
GES-2 integriert auch moderne digitale Technologien, Virtual Reality und interaktive Medien, um Besuchern neue Erfahrungen zu ermöglichen. Es ist auch ein Ort für Workshops und Seminare, die sich mit den neuesten Entwicklungen in den Bereichen Kunst, Design, Wissenschaft und Technik beschäftigen.
Licht und Sonne
Das Glasdach des Kulturzentrums soll für natürliches Licht im Komplex sorgen. „Man sagt, dass man in Moskau die Sonne nicht sieht. Das stimmt nicht. Diese Stadt hat ein vibrierendes Licht“, so Architekt Piano.
Die Lichtverhältnisse der russischen Metropole hätten einen eigenen, besonderen Charakter. Auch wurde dafür gesorgt, dass das Kulturzentrum nachhaltig gestalten ist. So sollen etwa Solarpaneele und geothermische Anlagen zur sparsamen Energieversorgung beitragen.
Auch eine Grünzone hat das Museumsgelände. Im Inneren von GES-2 wurde eine Art Wald aus Birken gepflanzt, durch den man spazieren kann.

Optimale Bedingungen für Bildung
Ein weiterer wichtiger Aspekt des GES-2 ist seine Bildungsarbeit. Das Zentrum bietet Programme für Schulen, Studierende und die breite Öffentlichkeit an, um das Verständnis für Kunst, Wissenschaft und Technologie zu fördern. Es gibt spezielle Kurse, Führungen, Vorträge und Workshops, die den Austausch und die kreative Entfaltung unterstützen.
Das GES-2 ist auch bekannt für seine vielfältigen Veranstaltungen, Diskussionsclubs, Konzerte und Theateraufführungen. Die Filmvorführungen finden unter anderem auch in der Sprache des Originals statt.
Entspannungszonen und Cafés
Das Kulturzentrum beherbergt mehrere Bereiche. Im Zwischengeschoss kann man sich in Cafés bei Kaffee, leckeren und kreativ hergestellten Desserts und anderem Essen mit Freunden treffen. Besonders bei den Jugendlichen ist der Ort sehr beliebt. Studenten entspannen sich gerne an bequemen Sitzplätzen, spielen Schach, die Influencer drehen kreative TikTok-Videos.
Da der Eintritt ins GES-2 kostenlos ist, zieht es Menschen von jung bis alt an. Das Zentrum kann zudem aufgrund der Größe seines Geländes getrost auch als Zufluchtsort für die vom Moskauer Tempo müden Menschen dienen.
Viktoria Nedaschkowskaja