Kreativwirtschaft: Damit Ideen einen Käufer finden

Die Kreativwirtschaft zählt zu den dynamischsten Sektoren der Welt. Auch in Russland und Deutschland. Das erste Art-Werk Forum im DI Telegraph rückte genau diese vermeintliche Nische in den Mittelpunkt.

Unternehmer aus der Kreativbranche stellten ihre Ideen beim Art-Werk Forum aus./Foto: Michail Wetlow.

Viele Jungdesigner haben einen ähnlichen Alltag: viel Arbeit, wenig Schlaf und dazwischen die Verwirklichung eigener Visionen. Kreativität ist nicht nur ihr Hobby, sondern ihr Beruf. Sie sind Teil der sogenannten Kreativwirtschaft, die sich seit Ende der 80er Jahre entwickelt.

„Die Kreativwirtschaft verändert unser Verhältnis zum Faktor Arbeit“, sagte Mirko Hempel, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau, bei der Eröffnung des Kreativ- und Wirtschaftsforums Art-Werk. „Immer mehr junge Menschen gehen das unternehmerische Risiko ein und gründen Start-ups.“

Die Kreativwirtschaft biete so auch ein positives Handlungsfeld für die deutsch-russischen Beziehungen, die aktuell „eine Menge Kreativität brauchen“, meint Hempel. Das Forum ist das erste seiner Art, das die Stiftung gemeinsam mit der Agentur „Creative Industries“ und dem DI Telegraph organisiert. Gekommen sind deutsche und russische Akteure.

Kreativwirtschaft – Branche mit Potential

Mehr als 250 000 Unternehmen erwirtschaften in dieser Branche jährlich einen Umsatz von 150 Milliarden Euro allein in Deutschland, heißt es in einem Bericht der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. Sie umfasst elf Kernbereiche, wozu unter anderem Kunst, Musik, Mode, Design, Werbung und Architektur zählen. 2015 leistete dieser Sektor einen Beitrag von rund 65 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung und überholte damit die Chemie- und Energiebranche.

Für Russland liegen keine konkreten Zahlen vor. Nach Einschätzung von Jekaterina Satschkowa, Leiterin von „Creative Industries“, sollen jedoch rund sechs Prozent der russischen Arbeitnehmer in der Kreativwirtschaft tätig sein. „Die Branche hat Potenzial. Aber es liegt nicht nur in den Händen der Kreativen, sondern auch an der Regierung, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.“

Kreativwirtschaft in Zahlen: Experten sprachen über die Zukunft der Branche./Foto: Michail Wetlow

Wie das geht, zeigen Beispiele aus Deutschland. Insbesondere Städte denken hier um, denn sie wollen alle eins: ein positives Image. Da können auch schon mal Industrieorte wie Mannheim zu einem der florierenden Kreativzentren Deutschlands werden. Auch Leipzig, wo einst Wohnungen leer standen, verwandelte sich zu einer „Brutstadt“ für Innovation. Dabei ist nicht die Größe der Stadt entscheidend, sondern wie sie mit der modernen Welt umgeht. Mit Programmen fördern Städte die eigene Kreativwirtschaft. Doch nicht immer klappt die Kommunikation zwischen Verwaltung und Kreativen. Hier kommen Lars Terlinden, Leiter des Kompetenzzentrums Kultur & Kreativwirtschaft, und sein Team ins Spiel. „Wir übersetzen die Nachfrage der Kulturschaffenden, weil wir wissen, wer bei der Stadtverwaltung wofür zuständig ist.“ Die Kommunikatoren sitzen seit 2015 bei der Wirtschaftsförderung Düsseldorf. „Wichtig ist aber, dass der Staat unterstützt. Und nicht zwangsläufig finanziell, sondern organisatorisch.“

Suche nach der Finanzierung

Sowohl finanzielle als auch organisatorische Hilfe bekam Sema Gedik, Modestudentin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Vor vier Jahren rief sie das Projekt „Auf Augenhöhe“ ins Leben, das sich auf Kleidung für kleinwüchsige Menschen spezialisiert. Gediks kleinwüchsige Cousine war der Impuls für dieses Projekt. Nachdem die Suche nach derartigen Labels erfolglos verlief, war für Gedik klar: „Nicht zu viel nachdenken – einfach machen!“ Danach folgte eine große Vermessungsaktion. Die Daten sind in einer Software erfasst, die ein befreundeter Physiker entwickelt hat. Aus dieser Sammlung ist die erste Konfektionstabelle für Kleinwüchsige entstanden.

Auch wenn das Mode-Start-up vom Europäischen Sozialfonds ESF unterstützt wird, reiche das Geld nicht aus, meint Gedik. „Menschen, die den Mut haben, etwas Neues zu machen, müssen mehr gefördert werden, um etwas Kreatives zu erreichen.“

Ihre russische Kollegin Vitta Amoris sieht das Thema anders. Die Designerin geht davon aus, dass sich eine Vision auch aus eigener Kraft finanzieren kann: „Eine einzigartige, notwendige Idee wird immer einen Käufer finden“, sagte die Jungunternehmerin. Ihr Modelabel „In.Divid Style“ bietet personifizierte Mode an. Die Gesichtsstrukturen des Kunden werden einzelnen Stilepochen zugeordnet. So entsteht Amoris charakteristisch passende Mode für ihre Kunden in aller Welt.

Das erste Forum zeigte, dass es bei der Kreativwirtschaft um weit mehr als nur um Umsätze und Gewinne geht. Es geht auch um Visionen, die die Welt verändern.

Sandra Laudenschläger

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