„Wenn du Russland liebst, liebt dich Russland“, sagt der Journalist und Kommunikationsexperte Frank Ebbecke. Wie das ja so ist: Kommt man offen und ehrlich mit Hirn und Herz aufeinander zu, dann bewegt sich schon etwas. Und er liebt Land und Leute wirklich, obwohl er fast die ganze Welt bereist hat. Nach Russland ist er vor über 20 Jahren gekommen und hat sich darin sozusagen auf den ersten Augenblick verguckt. Ebbeckes Zuneigung wurde und wird gern erwidert. „In Deutschland würden mir in meinem Alter nie so viele Tätigkeiten anvertraut, wie hier in Russland“, freut sich Ebbecke.
Seine größte Leidenschaft ist das Schreiben. Damit hat er schon in seiner Schulzeit begonnen, dann bei der Zeitschrift „Stern“, wo er mit 21 Jahren der jüngste Redakteur wurde. Heutzutage schreibt er als freier Autor unter anderem für die „Moskauer Deutsche Zeitung“: die Gastronomiekolumne „Prosecco und Pelmeni“ und malt quasi wie ein Künstler Portraits von Menschen für seine Rubrik „Meister und Magnete“, aber eben mit Worten. Aus diesem Grunde wurde er auch als Autor des Jubiläumsbuches „Deutsche und Russen über alle Grenze hinweg – 20 Jahre Moskauer Deutsche Zeitung“ ausgewählt.
Ebbecke ist ein glücklicher und positiver Mensch
Ebbecke liebt seine Arbeit so sehr, dass er sie von seinem Privatleben kaum trennt. Seine Portraits malt er in seinem Wohnzimmer, zwischen den Familienfotos von Eltern, Geschwistern, seiner Tochter, die in Amerika lebt, und seinen beiden russischen Lieblingsmusikerinnen Julia und Olga, für die er den Impresario macht – noch eine der Nebentätigkeiten von Ebbecke. Man kann ihn zu den glücklicheren Menschen der Welt zählen, zu denen, die ihre Leidenschaften zu ihren Berufungen gemacht haben.
So ist Frank Ebbecke. Für ihn liegt das Glück in den positiven Momenten des Lebens. Das kann zum Beispiel einfach auch eine Fahrt mit dem Elektrozug in das historische Kolomna sein, dort ein leckeres Mittagessen mit Borschtsch in guter Gesellschaft, neue Bekanntschaften und neue Gespräche mit spannenden Menschen. Und jeden Menschen, den er nachbildet, findet Ebbecke interessant, ansonsten würde er das erst gar nicht machen. Überhaupt entsteht das Gefühl während eines Gespräches mit ihm, dass eine seiner wichtigsten Eigenschaften die Menschenliebe ist.
Ob Menschenliebe, Neugier oder seine langjährige Arbeitserfahrung im Bereich der Kommunikation haben ihn sogar zum Unterrichten geführt. Seit 2016 ist er Gastprofessor an der Moskauer Elite-Universität RANEPA, an der „School for Public Administration and Management“. Im ersten englischsprachigen Bachelor-Studiengang des Landes lehrt Ebbecke „Intercultural Leadership“ und „Public Speaking, Persuasion und Influence“. Der studierte Journalist unterscheidet sich deutlich von gestandenen russischen Professoren und traditionellen Lehrmethoden.
Bei seinen Unterrichtsstunden hält er keine klassischen Vorlesungen, die Studierende einfach nachschreiben sollten. Er führt Dialoge mit den zukünftigen russischen Führungskräften, fördert kritisches Nachfragen, offene Meinungsäußerungen und sinniert mit ihnen auch über Glück, Lebenssinn und Werte. Vor allem schätzt er bei Menschen die Ehrlichkeit. Vielleicht deshalb spricht er auch ohne Arroganz und frei von der Leber weg über sich: „Ich bin wie ich bin, ich würde nicht anders sein wollen“.
Das Wort Rente ist ihm fremd
Emsiger Journalist, rühriger Gastprofessor, bisweilen schauspielernder Nebendarsteller in Serien und Kinofilmen und Impresario. Seine vielfältigen Tätigkeiten in Russland könnten ihm nicht nur seine Altersgenossen in Deutschland, die nur ein Rentnerleben führen, sondern auch aktive und eher junge Menschen neiden. Im Notizbuch von Ebbecke sind so gut wie alle Tage schon im Voraus für viele Monate dicht besetzt. Ebbecke scheint nicht einfach Schritt mit der Zeit zu halten, sondern diese Zeit zu gewinnen. Er mag schnelle Entscheidungen, rasche Antworten auf seine E-Mails, sogar wenn diese E-Mails spät am Abend geschickt werden. Dabei bleibt es unklar, ob Moskau sein Lebenstempo beeinflusst hat oder er die Molochstadt gewählt hat, weil es seiner Lebensgeschwindigkeit entspricht.
Russland und sich selbst kennenlernen
Auf jeden Fall bedauert es Ebbecke nicht, dass er als Kommunikationsexperte ab Mitte der Neunzigerjahre zunächst half, die Automarken Ford und dann Mazda auf dem russischen Markt zu etablieren, und Moskau für sich Schritt für Schritt zu entdecken. Damals begann seine eigentlich nie echt geplante langjährige Romanze in erster Linie mit der Stadt der Widersprüche und dann mit dem Rest von Russland. Erst im letzten Jahr begleitete er ein Extrem-Radrennen als Schreiber, über 9200 Kilometer von der Hauptstadt bis nach Wladiwostok. Und um Besuchern der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 das wahre, umtriebige Leben im Osten schon einmal schmackhaft zu machen, schickten ihn Auftraggeber aus der deutsch-russischen Wirtschaftsgemeinde mit einem Team vorab in alle elf Austragungsorte. „Es ist ein Glück, dass ich nach Russland gefahren bin, ich hätte mich niemals kennengelernt“, zitiert Ebbecke berühmte Worte von Joseph Roth als beispielhafte Parallele zu seinem Leben. Ein guter Gast bei guten Gastgebern.
Anna Braschnikowa