Was Moskaus Untergrund erzählt

Der Boden einer Stadt birgt so manches interessante Relikt aus vergangenen Zeiten. Zuletzt wurden am Gartenring Bodengitter mit Oberlichtern aus der Zarenzeit gefunden. Ein Überblick über die spannendsten Entdeckungen der vergangenen Jahre in Moskau.

Funde in Moskau: frisch restaurierte Oberlichter am Gartenring
Frisch restaurierte historische Oberlichter am Gartenring (Foto: mos.ru)

Tageslicht in Kellerräumen, das war Ende des 19. Jahrhunderts der letzte Schrei. Gusseiserne Bodengitter mit eingefassten Lichtprismen machten das möglich. Bei der Erneuerung von Gehwegen stießen Bauarbeiter im September am Gartenring auf zwei solche Artefakte aus der späten Zarenzeit.

Wie der Pressedienst der Stadt Moskau mitteilte, wurden diese Lichtprismen erst 1881 von dem amerikanischen Konstrukteur James Pennycuick aus Boston patentiert. Im Gegensatz zu früheren Bauweisen waren sie aufgrund der Beschaffenheit des Glases geeignet, das Tageslicht weit in die Kellerräume hinein zu streuen. Die beiden nun geborgenen Gitter waren stark verrostet, die meisten Glaselemente fehlten bereits und bei einem war eine Ecke abgebrochen. Schon in den 1930er Jahren waren die Schmuckstücke unter einer Asphaltdecke verschwunden.

Grabsteine als Bodenplatten

Immer wieder tauchen bei Bauarbeiten in der Stadt interessante Zeugnisse vergangener Zeiten auf. Vor einem Jahr etwa machten Grabsteine Schlagzeilen, die bei Straßenbauarbeiten in der Nähe des Hauses an der Uferstraße gefunden wurden. Die Granitblöcke mit Grabinschriften aus dem 18. Jahrhundert hatten als Bodenplatten gedient. Bilder der aufgestapelten Steine machten in sozialen Netzwerken die Runde. Experten erklärten bald darauf, dass dies gar nicht ungewöhnlich gewesen sei. Alexander Filatow von der Denkmalschutz­organisation Archnadsor sagte damals, dass in den 1930ern sogar sehr häufig Grabsteine beim Straßenbau verwendet worden seien, weil seinerzeit viele Kirchen abgerissen wurden und die zugehörigen Kirchhöfe aufgelöst wurden.

Besonders während der Renovierungsarbeiten im Zentrum der Stadt wurden zwischen 2015 und 2018 zahlreiche Entdeckungen gemacht. An der Puschetschnaja Uliza nahe der Metrostation Lubjanka fand man 2015 unter einer Asphaltdecke einen Straßenbelag aus Klinkerpflaster mit sogenanntem Fischgrätenmuster. Die Technik wurde in Moskau nur sehr selten angewandt und kam aus den Niederlanden nach Russland. Sie hatte offenbar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Verwendung gefunden.

Im Jahr darauf wurde nahe der Metrostation Twerskaja ein Werkzeug aus einer Falschmünzerwerkstatt gefunden. Der würfelförmige Münzstempel aus dem 17. Jahrhundert zeigte Reliefs der Vorder- und Rückseite eines zeitgenössischen Geldstücks.

Ein Trinkertreff aus dem 18. Jahrhundert

Im Herzen der Stadt, am Teatralnaja Ploschtschad, entdeckte man im selben Jahr nichts weniger als eine ganze Kneipe aus dem 18. Jahrhundert. In einer Tiefe von zwei bis drei Metern unter der Erde fanden sich die Fragmente eines Holzhauses mitsamt Scherben von Trinkgeschirr sowie Münzen, mit denen die Zecher damals bezahlt hatten. Die waren es auch, anhand derer die Archäologen recht präzise eingrenzen konnten, dass die Lokalität von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis in die 1810er Jahre bestanden hatte. Sogar Knöpfe und Gürtelschnallen fand man – was so alles im trunkenen Zustand verloren geht.

Viele der Fundstücke aus solchen Ausgrabungen wandern in die Sammlung des Museums Moskaus, die interessantesten davon sind in dessen Ausstellungen zu sehen. Wieder andere werden gar nach Art eines Freilichtmuseums im öffentlichen Raum ausgestellt. So erging es etwa den Bodengittern vom Gartenring. Nach ihrer Restaurierung wurden sie Mitte Oktober wieder an Ort und Stelle in den Boden eingesetzt. Sie befinden sich am Gartenring, am Eckhaus zum Ananjewskij Pereulok.

Jiří Hönes

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