Fackel Woronesch: Kleines Licht leuchtet hell

Zenit, Spartak und wie die großen russischen Fußballklubs alle heißen sind in Europa derzeit unerwünscht. Deshalb wird der Blick lieber mal nach innen gerichtet. Zum Beispiel auf Außenseiter Fackel Woronesch, den Zuschauerkrösus.

In Sachen Leidenschaft macht dem Publikum von Fackel so leicht keiner etwas vor. (Foto: Fackel Woronesch)

Die ersten drei Spieltage der neuen Saison in der russischen Premier-Liga (RPL) sind schon wieder vorbei. Von den Fußballfans in aller Welt werden das aber nur die wenigsten zur Kenntnis genommen haben. Die RPL hatte auch früher nicht die allergrößte Strahlkraft, doch seit die russischen Klubs von den internationalen Wettbewerben ausgeschlossen sind, sorgt die Liga im Ausland höchstens mal für einen Aha-Effekt, wenn der Brasilianer Malcom nach vier Jahren bei St. Petersburg für 60 Millionen Euro zum saudischen Klub Al-Hilal wechselt.

Zuschauerschnitt wie in der Dritten Liga

Und warum sollte man sich auch für den russischen Fußball interessieren, wenn die Russen selbst daran wenig Interesse zeigen? Am ersten Spieltag betrug die durchschnittliche Zuschauerzahl in den acht Heimstadien 9211, am zweiten 9767 und am dritten 11.732. Zum Vergleich: Der Zuschauerschnitt in der deutschen Dritten Liga lag zum Saisonstart am ersten August-Wochenende bei 11.160. Und das Stadion von Drittligist Dynamo Dresden war gegen Arminia Bielefeld besser gefüllt (29.589) als die WM-Arena des amtierenden Meisters und vielfachen Champions-League-Teilnehmers Zenit St. Petersburg im Top-Spiel des dritten Spieltags gegen Dynamo Moskau (24.672).

Auch beste äußere Bedingungen und attraktive Stadien sorgen nicht zwingend für einen erstligareifen Besuch. Seit für den Kartenkauf der Erwerb einer sogenannten Fan-ID Voraussetzung ist, bleiben speziell die Fankurven leer. (Wie die Stimmung ist und wie der Fußball, der in der RPL gespielt wird, davon kann man sich hier, hier und hier eine Eindruck verschaffen.)  

Außenseiter verkauft 10.000 Dauerkarten

Das heißt nun andererseits nicht, dass es keine Fußballbegeisterung mehr gäbe. Man muss sie nur manchmal ein wenig suchen. Denn während die Besucherzahlen bei erfolgsverwöhnten Klubs mit traditionell großer Anhängerschaft abgesackt sind, spielt sich ein Außenseiter mit seinen vergleichsweise vollen Rängen in den Vordergrund. Fackel Woronesch stieg erst im Vorjahr nach 21 Jahren Zweitklassigkeit wieder ins Oberhaus auf und brauchte dort am Saisonende die Relegation, um den umjubelten Klassenerhalt perfekt zu machen. Das freute sogar die gesamte Liga, denn nirgendwo sind die Ränge voller.

Auch in der aktuellen Saison kann Fackel wieder auf seine Fans bauen. Für die Hinrunde wurden sämtliche verfügbaren 10.000 Dauer­karten verkauft! Damit hat der Provinzklub mehr Dauerkarteninhaber als die Moskauer Elite mit Spartak, ZSKA, Dynamo und Lokomotive zusammen genommen. Sie kommen nach Angaben diverser Telegram-Kanäle nur auf 9000. Das deckt sich mit Zahlen des Ministeriums für Digitales und Massenmedien, wonach in der RPL insgesamt 40.000 Dauerkarten für die laufende Saison abgesetzt wurden. Da die Liga aus 16 Klubs besteht, entfällt sage und schreibe ein Viertel der Ticket-Abos auf Fackel.

Höchste Stadionauslastung aller 16 Klubs

Dabei ist man in Woronesch erwartungsgemäß nicht auf Rosen gebettet. Wie es um die Mittel und Möglichkeiten bestellt ist, illustriert allein der Blick auf die Arena, in der Fackel seine Heimspiele austrägt. Das Zentralstadion der Gewerkschaften wurde 1930 eröffnet und zwischendurch zwar aufgestockt, aber nie grundlegend modernisiert. Bis heute hat es kein Dach und die Oberränge sind seit Jahren gesperrt. Deshalb beträgt auch das Fassungsvermögen nicht mehr 34.800 wie noch 2010, als hier die Nationalmannschaft ein Freundschaftsspiel gegen Belgien vor natürlich ausverkauftem Haus austrug, sondern nur 19.845. Dafür lag die Auslastung in der vergangenen Saison bei 64 Prozent – mehr als bei jedem anderem RPL-Klub.

Das altersschwache Gewerkschafts-Stadion in Woronesch (Foto: Screenshot Vesti.ru)

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 hat um Woronesch einen Bogen gemacht, was vielen bis heute ein Rätsel ist. Umso mehr steht man in der Millionenstadt nun hinter Fackel. An Unterstützung wird es auch in der jetzigen Saison nicht fehlen – auch wenn das bisher einzige Heimspiel gleich mal mit 1:4 verloren ging und die Mannschaft aktuell mit null Punkten Tabellenletzter ist.

Tino Künzel

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