Der Elektroroller war in den vergangenen Monaten einer der meistdiskutierten Gegenstände in Deutschland. Experten sorgten sich um die Sicherheit und zeigten sich besorgt um die hohen Geschwindigkeiten und den fehlenden Aufprallschutz der Gefährte. Mitte Juni beschloss das Bundeskabinett eine eigene Verordnung für die „Elektrokleinstfahrzeuge“. Damit ist der Weg nun offiziell frei für die legale Benutzung. Seit Anfang Juli dürfen alle, die ihren Scooter mit einer Versicherungsplakette ausstatten und älter als 14 Jahre sind, mit diesem umherfahren. In der deutschen Bevölkerung hält sich die Begeisterung für das neue Transportmittel aber noch zurück: Dem Meinungsforschungsinstitut „YouGov“ zufolge stehen 57 Prozent der Benutzung von E-Scootern kritisch gegenüber.

Der Elektroroller gehört zum Stadtbild
Ganz anders sieht es hingegen in Russland aus. Das Interesse an den E-Scootern hat sich nach Werten des Marktforschungsinstruments „Google Trends“ 2018 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Der Dienst analysiert dabei Suchmuster von Internet-Nutzern. Die Beliebtheit zeigt sich aber nicht nur im Internet, sondern ist überall sichtbar. Ob als Verkehrsmittel auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder einfacher Freizeitspaß, ob als Leihvariante oder im Privatbesitz. Die strombetriebenen Flitzer erfreuen sich bei den Moskauern größter Beliebtheit und gehören mittlerweile zum gewohnten Stadtbild.
Insbesondere lange Teilstücke, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt werden, lassen sich wunderbar mit den elektrischen Flitzern verkürzen. Denn mit 35 km/h ist man flott unterwegs und eine Altersbeschränkung gibt es in Russland auch nicht. Zudem sind die Roller handlich genug, um sie z.B. in der Metro oder im Bus mitzunehmen. Auch die breiten Gehwege, die im Zuge der Stadtsanierung in Moskau entstanden, machen das flinke Verkehrsmittel attraktiv. Sie sorgen dafür, dass sich Fußgänger und Rollerfahrer nicht in die Quere kommen und niemand auf die Straße ausweichen muss.
Den neuen Mobilitätstrend hat auch die Moskauer Stadtverwaltung erkannt. Im Mai 2018 eröffnete Bürgermeister Sergej Sobjanin die erste von mittlerweile 25 Elektroroller-Verleihstationen des Anbieters Delisamokat. Moskau war damit einer der ersten Orte weltweit, der ein Sharing-Modell für E-Scooter einführte. In der Stadt existieren mittlerweile zahlreiche Verleihstationen von unterschiedlichen Anbietern.
Moskau unterstützt die Elektromobilität
So kann jeder, der die Investition von rund 300 Euro bisher scheut, sich per App registrieren und nach Belieben Elektroroller fahren. Die Leih-Scooter sind sehr begehrt und deshalb häufig vergriffen. Delisamokat hat mittlerweile reagiert und die Zahl seiner Roller von 700 Anfang 2019 auf 2600 aufgestockt. Bis Ende des Jahres sollen es sogar 16000 im gesamten Stadtgebiet sein.

Die langen Wege sind ideal für die Roller
Auch die MDZ konnte sich dem Trend nicht entziehen und hat sich in Moskaus Straßen auf die Suche nach E-Scooter-Nutzern gemacht und mit ihnen gesprochen. Eine dieser Nutzerinnen ist die 20-jährige Studentin Alina. Sie erzählt, dass sie gerne Elektroroller fährt, aber fast ausschließlich in ihrer Freizeit. Denn in der Woche werden die Roller oft von Menschen genommen, die damit zur Arbeit fahren. Es gebe schlicht zu wenig Roller für alle, meint sie. Deshalb freut sich Alina, wenn das Angebot demnächst ausgebaut wird.
Doch nicht nur die Stadt Moskau investiert in die Elektroroller. Immer mehr Hauptstädter kaufen sich lieber einen Scooter, statt ihn zu mieten. So wie der 25-jährige Student Wadim, der auf der Fahrt mit seiner Freundin durch den Gorki-Park begeistert erklärt: „Vor einem Monat habe ich mir einen Elektroroller gekauft.
Hohes Sicherheitsgefühl
In Moskau sind die Wege einfach sehr lang und es ist sehr zeitsparend mit dem Roller zu fahren. Und auch gemütlich, super.“ Sicherheitsbedenken scheinen die Moskauer trotz der hohen Geschwindigkeiten nicht zu haben. So wie die 51-jährige Buchhalterin Galina. Mit einem Lächeln im Gesicht meint sie, dass man nur aufpassen müsse, wenn es regnet. Da könne es durchaus mal rutschig werden.
Ihr selbst sei aber noch nie etwas passiert, so Galina. Dabei fährt die Buchhalterin seit drei Jahren täglich mit ihrem E-Scooter zur Arbeit und verlässt sich voll auf den elektrischen Flitzer. Die Rollen seien mittlerweile zwar schon recht abgenutzt, dafür könne man sie aber einfach und schnell selbst wechseln, freut sich Galina.
Fiete Lembeck